Europäische Union:Ost-West-Konflikt

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In der EU ist ein Streit über die Rechte von Arbeitnehmern entbrannt, die in andere Länder entsandt werden. Vor allem osteuropäische Staaten sehen ihre Unternehmen gefährdet.

Von Thomas Kirchner, Luxemburg

Im Streit über die Reform der sogenannten Entsende-Richtlinie für Arbeitnehmer stellt sich das Europäische Parlament gegen den Wunsch mehrerer Mitgliedstaaten, dieses Instrument möglichst stark zu begrenzen. Das geht aus dem Text hervor, auf den sich die Fraktionen verständigt haben und über den am Montag im Sozialausschuss abgestimmt werden wird. So soll nach dem Willen der Abgeordneten erst nach einer zweijährigen Entsendung eines Arbeitnehmers automatisch das Arbeitsrecht des Gastlandes gelten. Dies betrifft etwa die Höhe der Wochenarbeitszeit oder den Arbeitsschutz. Damit liegt das Parlament auf der Linie der EU-Kommission. Frankreich möchte die Entsendung auf ein Jahr beschränken; linke Abgeordnete fordern gar eine Begrenzung auf sechs Monate.

Der Streit feuert den Ost-West-Konflikt in der EU an, der auch in der Flüchtlingspolitik zutage tritt. Nord- und westeuropäische Länder einschließlich Deutschlands wollen erreichen, dass für aus dem Ausland Entsandte dieselben Regeln gelten wie für Arbeitnehmer im Gastland. Damit soll Sozialdumping verhindert werden, das auf Kosten inländischer Arbeitsplätze ginge. Die Kommission hat die Parole "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" ausgegeben. Entsandte hätten damit künftig Anspruch auf Löhne und Zuschläge, wie sie die lokalen Kollegen durch Tarifverträge garantiert bekommen.

Osteuropäische Staaten sperren sich gegen die Reform, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen in Gefahr sehen. Diese profitieren davon, Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland zu entsenden, wo sie zu den lokalen Mindestlöhnen bezahlt werden, aber die niedrigen Sozialbeiträge ihrer Herkunftsländer abführen müssen. Die EU-Staaten wollen sich Ende Oktober auf eine Position verständigen und das Thema im November beim Sozialgipfel in Göteborg ansprechen.

Der Abgeordnete Sven Schulze (CDU) warnte vor praktischen Problemen, wenn künftig nach zwei Jahren das Arbeitsrecht des Gastlands angewendet werde: "Wie entlohne ich einen entsendeten Arbeitnehmer richtig, welcher Tarifvertrag im Gastland findet Anwendung, und wie kläre ich Streitigkeiten, wenn etwa ein deutsches Gericht spanisches Arbeitsrecht anwenden muss?"

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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