Europäische Union:Manchmal auch lächerlich

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Das Berlaymont-Gebäude im Brüsseler Europaviertel beherbergt die EU-Kommission. (Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Warum der Brexit wie die Scheidung einer Ehe anmutet, bei der die Besitztümer der fortan Getrennten kleinlichst aufgelistet und auseinanderdividiert werden.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Irgendwann wird alles auf den Tisch kommen. Vermutlich auch der Wein. Etwa 16 000 Flaschen aus den Anbaugebieten der Europäischen Union warten im Keller des EU-Ratsgebäudes darauf, bei Gipfeln und ähnlichen Anlässen ausgetrunken zu werden. Von den guten Tropfen werde die EU, so war kürzlich in der britischen Presse zu lesen, demnächst einige herausrücken müssen. In einigen Wochen beginnen die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Das Verfahren, wie es die EU noch nicht erlebt hat, muss man sich wie eine Scheidung nach langer Ehe denken: hässlich und manchmal eben auch lächerlich.

Aus britischer Perspektive sollte das EU-Vermögen nun aufgeteilt werden

In der ersten Phase der Verhandlungen soll es um die Finanzen gehen. Es wird zu klären sein, welche gegenseitigen Verpflichtungen auch über den Brexit hinaus bestehen bleiben. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Briten schon auf eine "sehr gesalzene" Rechnung vorbereitet. Und er nannte eine Zahl, von der in Brüssel schon seit einiger Zeit die Rede ist: 60 Milliarden Euro. Inklusive wären dann zum Beispiel auch der britische Anteil an Pensionszahlungen für EU-Beamte, aber auch langfristige Zusagen für den EU-Haushalt. Den EU-Austritt gebe es nicht "zu reduzierten Kosten oder gar keinen Kosten", warnte Juncker.

Die Briten wiederum werden eine Gegenrechnung aufmachen. Einen Vorgeschmack gab kürzlich die Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Die Kostenschätzungen konzentrierten sich bisher zu sehr auf Verpflichtungen der Briten, hieß es in einem Papier. Dabei müsse auch gefragt werden: "Was ist mit dem EU-Vermögen?" Legt man eine Aufstellung der EU-Buchhaltung von Ende 2015 zugrunde, so beläuft sich das Vermögen auf 153,7 Milliarden Euro. Das schließt zum Beispiel Ansprüche der EU als Gläubiger in Höhe von 56 Milliarden Euro ein. Besitz wie Immobilen, etwa das Berlaymont-Gebäude in Brüssel und die vielen Vertretungen weltweit, werden auf 8,7 Milliarden Euro taxiert. Ein Teil des Vermögens stehe "sicher" den Briten zu, glauben die Autoren des Bruegel-Papiers. Allerdings ist es auch hier wie bei einer Scheidung: Keine Seite sollte sich zu sicher sein.

"Juristisch stellt sich die Frage gar nicht", sagt Christoph Vedder, emeritierter Ordinarius für Europarecht und Völkerrecht in Augsburg. Die Vorstellung, die Briten hätten nach ihrem Austritt Anspruch auf einen Anteil des EU-Vermögens, nennt er "absurd" und den Vergleich zum Beispiel mit der Aufteilung des Staatsvermögens nach dem Ende der Tschechoslowakei für abwegig. Nach der Teilung ihrer Föderation 1993 hatten sich Tschechen und Slowaken auf die Aufteilung des Vermögens verständigt. Ähnliches scheint nun auch den Briten vorzuschweben, deren Anteil dann wohl bei gut zwölf Prozent läge. Zum einen, erklärt Vedder, sei die EU eben kein Staat und zum anderen höre sie auch nicht auf zu existieren. Man müsse sich das eher vorstellen wie bei einem Golfklub. Wer nach langjähriger Mitgliedschaft austrete, haben ja auch keinen Anspruch auf ein Stück Golfplatz.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Briten sich nicht doch am Ende einen gewissen Anteil am EU-Vermögen werden gutschreiben lassen können. Für die Art der Scheidung, die den Briten und den 27 in der EU Verbleibenden bevorsteht, gibt es bisher keine Regel. Artikel 50 des EU-Vertrages schreibt lediglich vor, dass innerhalb von zwei Jahren ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts auszuhandeln ist. Dabei wird es nicht nur um Recht, sondern in hohem Maße um Politik gehen. Alle Streitpunkte gehen ein in eine Verhandlungsmasse, aus der im Idealfall am Ende ein Kompromiss geknetet wird. Die EU wird verlangen, dass Großbritannien auch nach dem Austritt zu Verpflichtungen steht, die es als EU-Mitglied eingegangen ist. Im Gegenzug könnte sie unter anderem bereit sein, die Briten für ihren Anteil am Eigentum zu kompensieren.

Am Wein wird es wohl nicht scheitern. Im EU-Ratsgebäude sollen auch noch ein paar Hundert Flaschen aus England lagern. Die, so wird in Brüssel gespottet, könnten die Briten dann gerne wieder mitnehmen.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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