Europäische Union:Europäisches Städte-Casting

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Zwei EU-Behörden verlassen London nach dem Brexit, über die neuen Standorte stimmen die Mitgliedstaaten ab. Frankfurt und Bonn hoffen auf den Zuschlag, doch die Konkurrenz ist groß.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Das Verfahren erinnert an einen europäischen Singwettbewerb. An diesem Montag fällt in Brüssel die Entscheidung, wohin die Europäische Bankenaufsicht (EBA) und die Europäische Arzneimittel-Behörde (EMA) nach dem Brexit von London aus umziehen. Deutschland bewirbt sich mit Frankfurt für die EBA und Bonn für die EMA, wobei nur Frankfurt ernsthafte Chancen eingeräumt werden. Beide Behörden beschäftigen zusammen knapp 1100 Mitarbeiter.

Insgesamt gibt es 27 Bewerbungen, Ausgang ungewiss. Die EU-Staaten können für die Kandidaten zunächst drei, zwei und eine Stimme vergeben. Aus der Not, sehr schnell für den Umzug von EBA und EMA sorgen zu müssen, hat die EU eine Tugend gemacht und eine völlig offene und vor allem geheime Abstimmung angesetzt. Die Ortswahl wird also nicht langwierig zwischen den Regierungschefs ausgekungelt.

Als Geheimtipp gilt Bratislava - doch da will die Mehrheit der EMA-Mitarbeiter nicht hin

19 Städte haben sich für die EMA beworben, acht für die EBA. In beiden Fällen wird der Sieger in maximal drei Wahlgängen gekürt - im Falle eines Patts notfalls per Losentscheid. Ein EU-Staat kann allerdings höchstens für eine der beiden Agenturen den Zuschlag bekommen. Abgestimmt wird zunächst über die Arzneimittel-Behörde. Gewänne wider Erwarten doch Bonn, wäre Frankfurt aus dem Rennen.

Formell gibt es eine Reihe von Kriterien für die Entscheidung. Vor allen Dingen soll garantiert sein, dass die Agenturen nach dem Austritt Großbritanniens Ende März 2019 ohne Unterbrechung ihre Arbeit fortführen können. Der Ort soll gut erreichbar sein, über internationale Schulen für die Kinder der Mitarbeiter verfügen sowie Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung für die Angehörigen sicherstellen. Berücksichtigt werden soll auch die "geografische Verteilung". Wer bisher keine EU-Institution beherbergt, soll Extra-Punkte bekommen. Die EU-Kommission hat zwar Einschätzungen zu allen Bewertungen abgegeben, aber in ihrer Abstimmung sind die EU-Staaten völlig frei. Das führt zu taktischen Erwägungen und allerlei vertraulichen Absprachen. Schwer einzuschätzen ist daher, wie sehr das Werben der Deutschen um eine Stärkung des europäischen Finanzplatzes Frankfurt verfangen wird. Wien, Dublin und Paris gelten als starke Konkurrenten.

Als Favoriten bei der Bewerbung um die Arzneimittel-Behörde EMA wiederum werden zwar nicht zuletzt Mailand und Amsterdam genannt. Schon länger nicht nur als Geheimtipp gehandelt aber wird Bratislava. Die Slowakei beherbergt bisher keine EU-Agentur, hat sich während ihrer EU-Präsidentschaft 2016 Anerkennung erworben und kann auf die zentrale Lage ihrer Hauptstadt verweisen. Wien, das sich neben der EBA auch um die EMA bemüht, liegt kaum eine Autostunde entfernt. Fast alle Vorzüge, auf die die Österreicher verweisen, gehen so indirekt auch aufs slowakische Konto.

In einer Befragung der fast 900 EMA-Mitarbeiter haben allerdings mehr als 70 Prozent angegeben, sich einen neuen Job suchen zu wollen, sollte Bratislava den Zuschlag bekommen. Nur bei einem Umzug nach Amsterdam, Barcelona, Kopenhagen, Mailand oder Wien will eine große Mehrheit bleiben. Aus Westeuropa wird daher darauf verwiesen, dass der Weggang so vieler Mitarbeiter sich nicht so einfach überbrücken ließe.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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