Europa:Merkel skizziert Zukunft der EU

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Die Bundeskanzlerin beschreibt notwendige Reformen und kommt damit Frankreichs Präsident Macron entgegen, der seit Längerem eine Erneuerung fordert.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Sonntag erstmals konkret erläutert, welche Reformen die Europäische Union aus ihrer Sicht in den kommenden Jahren angehen muss. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung legte sich Merkel überraschend detailliert darauf fest, was zu tun sei, damit die Europäer in Frieden, Wohlstand und Sicherheit leben können. Sie bezog sich vor allem auf die Sicherheits- und Außenpolitik, ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingspolitik sowie die Stabilisierung der Währungsunion.

Die Reformpläne der Kanzlerin sind die lang erwartete Antwort auf den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Europa neu zu gründen. Macron hatte diese Forderung vor acht Monaten bei einer Rede an der Sorbonne-Universität erhoben und Merkel aufgefordert, gemeinsam mit ihm voranzugehen. Bisher hatte er vergeblich auf eine Antwort gewartet. Merkels Vorschläge kommen gerade noch rechtzeitig, um bis zum für Ende Juni geplanten EU-Gipfeltreffen einen gemeinsamen deutsch-französischen Reformvorschlag abzustimmen.

Merkel greift Ideen des französischen Präsidenten auf, ohne sie jedoch umfänglich zu teilen. Insbesondere bei der geplanten Reform der Euro-Zone liegen beide weit auseinander. Zwar stimmen sie in dem Ziel überein, den Euro zu stärken und seinen Mitgliedsländern in Krisen zu helfen. Über die Instrumente dafür gehen die Vorstellungen aber auseinander. Merkel plädiert dafür, einen Europäischen Währungsfonds einzurichten. Dieser kann langfristig laufende Kredite vergeben, die mit weitreichenden Strukturreformen verbunden sind. Zusätzlich soll es in unerwarteten Notlagen kurzfristige Kredite mit fünf Jahren Laufzeit geben. Um die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder anzugleichen, will Merkel einen speziellen Haushaltstopf einrichten und mit einem zweistelligen Milliardenbetrag füllen. Das Geld soll an Länder gehen, die technische Innovationen vorantreiben müssen und Hilfe benötigen. Offen bleibt, ob dieser "Investiv-Haushalt" in den großen EU-Haushalt integriert oder separat angelegt wird.

Macron hingegen will, dass die Euro-Staaten ihre Steuerpolitik enger abstimmen und dazu eine Art Fonds einrichten. Diese "Fiskalkapazität", wie der Franzose es nennt, soll mit deutlich mehr Geld gefüllt werden als Merkels "Investiv-Haushalt" und wie eine Versicherung in Notlagen den betreffenden Staaten helfen.

In der Flüchtlingspolitik hingegen haben Berlin und Paris ähnliche Ideen. Merkel greift Macrons Vorschlag auf, europäische Asylstandards einzuführen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll in eine echte Grenzpolizei umgewandelt werden, die an den Außengrenzen kontrolliert. Es soll eine europäische Flüchtlingsbehörde geben, die an diesen Außengrenzen alle Asylverfahren durchführt und den bewilligten Asylbewerbern Orte zuweist.

Merkel fordert wie Macron eine europäische Eingreiftruppe. Neu ist ihre Idee, einen EU-Sicherheitsrat zu gründen. Aus der EU-Kommission hieß es am Sonntag, Merkel setze "wichtige neue Akzente" und belebe den Reformprozess.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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