Europa:Mehr Macht dem Volk

Europas politische Eliten wollen sich wieder abschotten. Das sollten die Bürger nicht einfach so hinnehmen.

Von Stefan Ulrich

Oft wurde geklagt, das Europaparlament habe wenig zu sagen, und die Leute interessierten sich nicht für Europawahlen. Schließlich wählten die Staats- und Regierungschefs den EU-Kommissionspräsidenten aus. Das Europaparlament dürfe ihn nur abnicken.

Um den Bürgern mehr Macht zu geben, setzten die Reformer für die Europawahl 2014 deshalb einen neuen Modus durch. Die Parteienfamilien - etwa die Europäische Volkspartei oder die Sozialdemokratische Partei Europas - stellten Spitzenkandidaten auf. Der Wahlsieger sollte dann vom Europaparlament zum Kommissionspräsidenten gekürt werden. Zwar leisteten die Kanzlerin Angela Merkel oder der britische Premier David Cameron Widerstand gegen so viel Wählermacht. Doch die Reformer setzten sich durch. Wahlsieger Jean-Claude Juncker wurde neuer Kommissionspräsident.

Nun mag man kritisieren, dass die Volkspartei Juncker aufgestellt hat, einen Ex-Premier der Steueroase Luxemburg. Das Prinzip, dass die Bürger über den Kommissionspräsidenten bestimmen, ist jedoch richtig. Es gibt den Menschen direkten Einfluss auf die EU und zwingt die Parteien, künftig starke Kandidaten aufzustellen. Jetzt aber wollen viele EU-Staaten die Reform kippen. Gelingt das, steht Europa wieder als bürgerfernes Elitenprojekt da. Die reformfeindlichen Regierungen handeln selbstsüchtig. Die Bürger sollten sich ihr Kabinettstück verbitten.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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