Europa:Mal Zwerg, mal Riese

Syrien und Afghanistan zeigen die beiden Seiten der EU.

Von Daniel Brössler

Ohnmacht und Macht lagen dieser Tage in Brüssel noch ein bisschen näher beieinander als sonst. Mit der Ankündigung eines Hilfskonvois für Aleppo demonstrierte die Europäische Union den Wunsch, den geschundenen Menschen zu helfen. Ohne Zustimmung des von Russland gestützten syrischen Regimes aber kann die EU nichts ausrichten. Ohnehin spielt sie in der Syrien-Diplomatie keine wirkliche Rolle. Die USA wollen in Syrien kaum eingreifen, die EU kann es nicht. Ohnmächtig verfolgt sie die Katastrophe in der Nachbarschaft.

Als Mitausrichter der Brüsseler Afghanistan-Konferenz zeigte sie ihre andere Seite. 13,6 Milliarden Euro an Zusagen kamen bei der Konferenz zusammen, die in Afghanistan das Funktionieren des Staates bis 2020 sichern sollen. Allein fünf Milliarden Euro fließen aus der EU und ihren Mitgliedstaaten. Das Wissen, welche Katastrophe ein Kollaps der Einheitsregierung auch für Europa bedeuten würde, hat die Politik der Union bestimmt. Daraus resultiert Einigkeit und, ja, auch Macht.

Nach dem Brexit wird die EU sich verstärkt um ihre Außenwirkung kümmern müssen. Den ganz grundsätzlichen Willen dazu haben die Staats- und Regierungschefs schon bekundet. Interessant wird sein, ob dem Ruf nach einer stärkeren außenpolitischen Rolle der EU auch die Bereitschaft zu mehr Zurückhaltung der Nationalstaaten folgt.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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