Europa:Die EU sollte Polen und Ungarn die Hilfen kürzen

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Auf einer Demonstration in Krakau versammeln sich Ende Januar EU-Befürworter und protestieren gegen die Justizreform des Landes sowie allgemein gegen Diktatur und undemokratische Staatswillkür. (Foto: imago/ZUMA Press)

Nein, Europa ist nicht zu teuer. Gestritten werden muss aber darüber, wofür es sein Geld ausgibt - und für wen. Die EU sollte nur Mitgliedern helfen, die ihre Prinzipien respektieren.

Kommentar von Stefan Ulrich

Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts - das gilt jedenfalls in der EU. Europa wurde mithilfe von Wirtschaft und Finanzen aufgebaut und erhalten, von der Montanunion über den Euro bis hin zur Bewältigung der Finanzkrise. Wenn diesen Freitag die Staats- und Regierungschefs in Brüssel tagen, wird Geld eine besonders wichtige Rolle spielen. Die Regierungen sprechen - und streiten - dann erstmals über die Finanzplanung für die Jahre von 2021 bis 2027. Es geht um Hunderte Milliarden Euro; und darum, wer sie bezahlen muss.

Obendrein geht es um Grundsatzfragen der Union. Beim Geld zeigt sich, wie viel Europa seinen Mitgliedern (noch) wert ist. Und was diesem Europa wichtig ist. Damit sind alle Bürger betroffen, als Steuerzahler wie als Empfänger.

Die EU ist nicht zu teuer. Doch sie sollte nur Mitgliedern helfen, die ihre Prinzipien respektieren

Erschwert werden die traditionell borstigen Gespräche ums Geld durch drei Probleme: den Auszug der Briten aus der EU und den Verlust des britischen Beitrags; die Finanzierung neuer Aufgaben in der Flüchtlingspolitik, bei der Grenzsicherung und der Verteidigung; und den fundamentalen Streit darüber, ob Brüssel Staaten Milliardenhilfen kürzen darf, wenn diese sich selbst unsolidarisch verhalten und Grundwerte der EU zerstören.

Deutschland setzt zum Auftakt dieses Ringens ein verwirrendes Signal. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Donnerstag eher auf die Seite jener nördlichen Staaten, die das Britendefizit durch Streichungen ausgleichen wollen. Zugleich stellte sie jedoch mehr Geld in Aussicht, um den europäischen Grenzschutz zu verbessern. Ein starkes Bekenntnis zu mehr Europa ist das noch nicht.

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Vor allem an die Frontex-Grenzschützer und an strukturschwache Regionen solle mehr Geld fließen, so die Kanzlerin im Bundestag. Die linken Oppositionsparteien kritisieren die Pläne als unmenschlich und leidenschaftslos, die AfD findet sie verschwenderisch.

Dabei könnte die florierende Bundesrepublik gerade beim Geld etwas drauflegen. Denn Europa ist nicht zu teuer, mögen dies Kritiker aller Couleur auch ständig behaupten. Von hundert Euro, die in den EU-Staaten erwirtschaftet werden, fließt ein einziger in den Brüsseler Haushalt. Ist das übertrieben in Zeiten, in denen Europa der Garant ist, dass Deutsche, Griechen, Polen oder Dänen ihr Gesellschaftsmodell in einer Welt bewahren können, die bald von autoritären Mächten wie China dominiert sein könnte? In denen die Europäer eigene Strukturen aufbauen müssen, um nicht von Internetgiganten wie Google als rechtlose Datenkühe gemolken zu werden? In denen Außengrenzen gemeinsam gehütet werden müssen, um Schutzbedürftigen helfen zu können, ohne die eigenen Bürger zu überfordern?

Nein, Europa ist nicht zu teuer. Gestritten werden muss aber darüber, wofür es sein Geld ausgibt. So sollte weniger in Agrarhilfen fließen und mehr in gezielte, an Bedingungen geknüpfte Unterstützung für Staaten, die sich aus Strukturkrisen kämpfen oder unter horrender Jugendarbeitslosigkeit leiden. Hier darf sich Berlin flexibler zeigen als bisher. Deutschland selbst belegt, dass sich die Großzügigkeit, die es etwa unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) zeigte, lohnt. Die Bundesrepublik stand damals oft im Ruf des europäischen Wohltäters. Das tat ihr selbst wohl.

Nur: Europa kann nicht dadurch gedeihen, dass die einen viel geben und andere vor allem nehmen. Das gilt etwa in der Flüchtlingspolitik. Hier haben Deutschland und weitere Staaten viel geleistet, um die europäische Pflicht zu erfüllen, Verfolgten zu helfen. Einige Länder haben eine Mithilfe dagegen aggressiv verweigert. Es mag sein, dass viele Bürger Polens und Ungarns nach Jahrzehnten der Ostblock-Abgeschiedenheit immer noch unter Fremdenangst leiden. Es ist daher diskutabel, ob die EU ihnen eine Flüchtlingsquote aufzwingen soll. Finanziell aber müssten sie sich dafür umso mehr an der Hilfe für Schutzbedürftige beteiligen.

Die EU selbst darf sich dagegen nicht weiter so großzügig gegenüber Mitgliedern wie Polen und Ungarn verhalten, die Grundwerte der Union und damit faktisch deren Verfassungskern missachten. Demokratie, Rechtsstaat, Pluralismus oder Pressefreiheit - sind nicht verhandelbar. Wer diese Werte ignoriert, verrät die Union und zersetzt sie von innen. Er kann dies nicht mit einem echten oder vermeintlichen "Volkswillen" rechtfertigen. Stattdessen sollte er die EU verlassen.

Dies wollen die nationalistischen Regierungen Polens und Ungarns jedoch nicht - Europa ist zu profitabel. Und da die EU keine Möglichkeit hat, Mitglieder auszuschließen, muss sie da ansetzen, wo es wehtut: beim Geld, das heißt, durch Kürzung der Hilfen. Das ist nicht schön unter Partnern. Doch es geht offensichtlich nicht anders. Wer Europas Geld will, muss auch seine Werte akzeptieren.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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