Europa:Auftritt als Muster-Alliierte

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Wie das US-Militär die neue Nato-Präsenz in Osteuropa angeht, nachdem der Präsident in Washington das Bündnis in Frage gestellt hatte.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Oberstleutnant Steven Gventer redet nicht drum herum. Worum es geht, ist tödliche Effizienz. Seine und die Aufgabe seiner Leute sei, "wenn nötig, die Verteidigung gegen eine Aggression". Über die Fähigkeit und "Letalität" hierfür verfüge man. Der US-Offizier befehligt eine Kampftruppe, die sich am Samstag vom oberpfälzischen Vilseck aus auf den Weg macht nach Orzysz im nordöstlichen Polen. Er spreche von einer Mission, sagt Gventer, denn es gehe hier nicht einfach um Training. "Von 1. April an sind wir bereit, jedweden Gegner abzuschrecken und, wenn nötig, das Nato-Bündnis zu verteidigen", erläutert der Amerikaner wenige Tage vor Einsatzbeginn bei einer kleinen Präsentation im Nato-Hauptquartier in Brüssel.

Jede Gelegenheit ist willkommen, Bündnistreue zu betonen

Einerseits geht es um das, was derzeit schon fast Routine ist. Gventers Truppe ist beteiligt daran, den Nato-Beschluss zur "Vorne-Präsenz" umzusetzen. Diese soll den östlichen Staaten des Bündnisses ein stärkeres Gefühl der Sicherheit geben nach den Erschütterungen durch die russische Annexion der Krim und den Krieg im Osten der Ukraine. In Estland, Lettland, Litauen und Polen wird hierfür rotierend je eine Nato-Kampftruppe in Bataillonsstärke stationiert. Deutschland hat die Führung in Litauen übernommen, die USA in Polen. Es gehe um die Vorbereitung auf den Ernstfall, sagt Gventer. "Es ist für jeden von uns das Letzte, was wir erleben oder tun möchten, aber wir sind fähig dazu und vollständig bereit."

Andererseits - und das ist nicht Routine - scheint aus Sicht der US-Streitkräfte derzeit jede Gelegenheit willkommen zu sein, die Bündnistreue Amerikas zu betonen. US-Präsident Donald Trump hat die Nato im Wahlkampf und kurz vor seinem Amtsantritt als "obsolet" bezeichnet, angeblich unbezahlte Rechnungen der Verbündeten beklagt und gerade erst nach dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal per Twitter die Alliierten als so etwas wie Schmarotzer hingestellt, die den USA und der Nato angeblich Milliarden für ihren Schutz schulden. In Osteuropa hat das Ängste ausgelöst, die zumindest der US-Armee nicht egal zu sein scheinen.

Gventer jedenfalls tritt als eine Art Muster-Alliierter auf. "Für uns ist das eine sehr großartige Gelegenheit, die Länder zu sehen, mit denen wir verbündet sind", sagt er zur bevorstehenden Verlegung seiner Truppe nach Ost-Polen. Ein Teil der Soldaten wird über die Seelower Höhen nach Orzysz gelangen, der andere durch Tschechien über Prag. Man freue sich auf den Austausch mit der Bevölkerung und "Tschechen, die Hallo sagen wollen", sagt der US-Offizier. Denn: "Wir sind für sie da. Europa ist Heimat für uns." Er selbst sei als Sohn eines US-Offiziers in Deutschland geboren, berichtet Gventer, mit der Nato und der kollektiven Verteidigung also schon lebensgeschichtlich verbunden. Es gehe darum "sicherzustellen, dass wir in der Allianz in der Lage sind, uns gegenseitig zu verteidigen".

In Orzysz wird Gventers 1177 Soldaten befehligen, neben 911 US-Amerikanern auch 147 Briten und 119 Rumänen. Sie sollen, wie Gventer erläutert, "diesen Teil Polens verstehen, das Terrain kennenlernen", das notfalls zu verteidigen sei. Der Einsatz dauert sechs Monate, dann kommt Ersatz. Auf die Frage, welche Wirkung die überschaubare Truppe im Ernstfall entfalten kann, antwortet der Oberstleutnant ausweichend. "Wir sind Teil dessen, worauf sich die Nato verständigt hat", sagt er. Die Kampftruppe sei integriert in die polnischen Verteidigungspläne. Nicht zuletzt gehe es auch darum, "das Verhältnis zu den polnischen Verbündeten zu stärken".

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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