EuGH-Urteil:Medikamente werden billiger

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Ausländische Versandapotheken dürfen verschreibungspflichtige Arzneien in Deutschland günstiger anbieten - die für Apotheken festgelegte Preisbindung gilt für sie nicht. Die deutschen Apotheken sehen sich durch diese Entscheidung im Nachteil.

Von Kim Björn Becker und Wolfgang Janisch, München/Karlsruhe

Die Preisbindung beim Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente in deutschen Apotheken gerät nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erheblich unter Druck. Nach der Grundsatzentscheidung verstößt die Preisfestsetzung für den Arzneimittelversand aus dem Ausland gegen die Freiheit des Warenverkehrs in der EU. Damit können ausländische Internetapotheken ab sofort verschreibungspflichtige Medikamente günstiger anbieten als die deutsche Konkurrenz. Die niederländische Versand-Apotheke DocMorris reagierte sofort mit einem Nachlass von zwei Euro pro Packung.

DocMorris war in dem Rechtsstreit von der deutschen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verklagt worden, und zwar wegen einer Vereinbarung mit der Deutschen Parkinson-Vereinigung. Die Selbsthilfe-Organisation hatte für Parkinson-Patienten ein Bonussystem mit DocMorris ausgehandelt. Zwar ist der Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland erlaubt, allerdings wurde 2012 gerichtlich und gesetzlich klargestellt, dass ausländische Versandapotheken an deutsche Apothekenpreise gebunden sind.

Laut EuGH sind zwar zum Schutz der Gesundheit durchaus Ausnahmen vom freien Warenverkehr zulässig. Die deutsche Regierung hatte gewarnt, dass eine Freigabe der Preise zu einem Apothekensterben im ländlichen Raum führen werde. Dieses Argument überzeugte die Richter allerdings nicht. Unterlagen der EU-Kommission legten ganz im Gegenteil nahe, "dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden können". Auch eine Gefahr für die Notfallversorgung, von Apotheker-Verbänden beschworen, konnte das Gericht nicht erkennen. Traditionelle Apotheken könnten im Unterschied zu den allein auf den Preiswettbewerb angewiesenen Versandapotheken etwa mit guter Beratung bei den Kunden punkten. Von Vorteil sei die Freigabe jedenfalls für die Patienten, die zu günstigeren Preisen einkaufen können.

Die Bundesvereinigung deutscher Apotheker-Verbände reagierte "entsetzt" auf die Entscheidung und forderte gar eine Rückkehr zu einem Verbot des Versandhandels. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zeigte sich zwar entschlossen, "die flächendeckende Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken" sicherzustellen. Eine Garantie für die Preisbindung wollte er aber nicht abgeben.

Für inländische Apotheken bleibt die Festschreibung der Preise nach dem Urteil zwar in Kraft, sie könnte aber politisch und möglicherweise sogar verfassungsrechtlich infrage gestellt werden. Rechtsanwalt Morton Douglas, ein Experte für Apothekenrecht, wertet eine auch künftig gültige Preisbindung als Verletzung der Berufsfreiheit, weil beim Preiswettbewerb nun ausländische Apotheken im Vorteil sind. Douglas will dies vor Gericht durchfechten.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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