EU:Widerstand inbegriffen

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Geheime Abstimmung: Die Wahl zwischen den beiden Kandidaten dürfte knapp ausfallen. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Budget-Plan, Steuern und ein Ende der Einstimmigkeit: Die deutsch-französischen Reformvorschläge für die EU bergen einigen Konfliktstoff.

Von Daniel Brössler, Thomas Kirchner, Alexander Mühlauer, Brüssel

Jean-Claude Juncker war voll des Lobes. "Ich glaube, das ist ein sehr ausbalancierter Vorschlag", sagte der EU-Kommissionspräsident zur deutsch-französischen Initiative für die Zukunft der Europäischen Union. Und fügte einschränkend hinzu: "Da wird es einige geben, die sich nicht spontan anschließen können", aber die Debatte werde zeigen, was konsensfähig sei. Schon jetzt zeichnet sich in der EU Widerstand gegen so manche Punkte der "Meseberg-Erklärung" ab. Schließlich ist eine Verständigung zwischen Paris und Berlin noch lange keine europäische Einigung. Und so bietet das achtseitige Papier einigen Konfliktstoff für den EU-Gipfel in der kommenden Woche. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Außenpolitik

Schon seit Jahren wird die Unfähigkeit der Europäischen Union beklagt, in der Außenpolitik eine Stärke zu entwickeln, die auch nur annähernd ihrem wirtschaftlichen Gewicht entspricht. Es müssten nun "neue Wege" geprüft werden, um Tempo und Effektivität der Entscheidungsfindung in der EU zu erhöhen, fordern Deutsche und Franzosen in ihrer Meseberger Erklärung. Im Kern geht es darum, die engen Fesseln des EU-Vertrags zu lockern. Er legt fest, dass außenpolitische Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen. Hier sollen nun "Möglichkeiten ausgelotet" werden, zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen - allerdings "im Rahmen der breiteren Debatte um Mehrheitsbeschlüsse".

Das klingt aus guten Gründen recht defensiv. Eine ganze Reihe von Staaten dürfte erbitterten Widerstand gegen die Aufgabe des Vetos leisten, das ihnen bislang in allen außenpolitischen Fragen zur Verfügung steht - Ungarn zum Beispiel. Die auf Abschottung bedachte Regierung in Budapest strapaziert derzeit die Geduld aller anderen EU-Staaten, weil es die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Abkommen mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifikraums (AKP) blockiert. Die ungarische Regierung sieht ihre Bedenken gegen Migration im Verhandlungsmandat für das neue Cotonou-Abkommen nicht genügend berücksichtigt. Vor dem Hintergrund zahlreicher solcher Erfahrungen, aber auch angesichts der Herausforderung durch den feindseligen US-Präsidenten Donald Trump mehren sich die Stimmen, die eine Abkehr von der Einstimmigkeit fordern. Beschlossen werden müsste das allerdings von den Staats- und Regierungschefs - einstimmig.

Wenn sich die Außen- und Verteidigungsminister an diesem Montag zu einer gemeinsamen Sitzung in Luxemburg treffen, steht das Meseberg-Papier zwar nicht offiziell auf der Tagesordnung, wird aber für einigen Gesprächsstoff sorgen. So dürfte es Fragen geben zum "Europäischen Sicherheitsrat", den Merkel in die Diskussion eingebracht hat und der rotierend besetzt werden soll. In der globalen Strategie der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini taucht der Begriff bisher jedenfalls noch nicht auf.

Wirtschaft und Währung

Der größte Streitpunkt ist das geplante Budget für die Euro-Zone ab 2021. Die Niederlande haben bereits angekündigt, dass sie einen solchen Extra-Geldtopf kategorisch ablehnen. Die Regierung in Den Haag fürchtet ebenso wie jene in Wien und Helsinki den Einstieg in eine Transferunion. Auch den Vorschlag, dass der Euro-Rettungsfonds ESM künftig kurzfristige Kredite ausgeben soll, um Länder zu stützen, die unverschuldet in Schwierigkeiten geraten, sehen die Niederländer äußerst kritisch. Denn: Wer prüft, ob dem auch wirklich so ist?

Umstritten ist außerdem der Vorschlag einer Art gemeinsamer Arbeitslosenversicherung. Frankreich und Deutschland wollen eine Arbeitsgruppe für einen neuen Stabilisierungsfonds einrichten, der ein Land im Krisenfall helfen soll, die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Dafür sollen "keine Transfers" nötig sein, heißt es in der Erklärung von Meseberg.

Auch in der Steuerpolitik dürfte es Krach zwischen den EU-Staaten geben. Paris und Berlin haben sich auf eine gemeinsame Position zur Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer geeinigt. Beide unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission und sind "fest entschlossen", die entsprechende Richtlinie "rasch zu verabschieden". So steht es jedenfalls in einem gemeinsamen Positionspapier. Da Beschlüsse in Steuerfragen in der EU einstimmig fallen müssen, dürfte es schwer werden, dieses Ansinnen europaweit umzusetzen. Wahrscheinlicher ist es deshalb, dass Deutschland und Frankreich in dieser Frage vorangehen und darauf hoffen, möglichst viele Nachahmer zu finden.

Bis Jahresende soll zudem eine Vereinbarung für eine "faire" Besteuerung im Digitalbereich erreicht werden. Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon sollen künftig mehr Steuern in Europa zahlen.

Migration

Beim Thema Migration bringt das deutsch-französische Abkommen sicher keinen Durchbruch in Richtung einer europäischen Lösung. Das war auch nicht zu erwarten. Macron gab jedenfalls die Zusicherung, dass Frankreich Flüchtlinge zurücknehmen wolle, die dort registriert worden seien und dann nach Deutschland kommen. Und er billigte Merkels Ansatz, bi- und multilaterale Rückführungsabkommen zu schließen und die "Sekundärmigration" von Migranten zu stoppen, die nicht in dem ihnen zugewiesenen EU-Staat bleiben. In der gemeinsamen Erklärung beider Regierungen heißt es gleichzeitig mit klarem Seitenhieb in Richtung CSU, man wolle sich um eine europäische Lösung bemühen, die "wichtiger als je zuvor" sei: "Unilaterale, unkoordinierte Aktionen spalten Europa und die Völker und setzen Schengen aufs Spiel. Falls ein Mitgliedstaat anfängt, unilateral zu agieren, würde dies am Ende zu einem Anstieg von Migration nach Europa führen."

Daneben verständigen sich beide Seiten auf die eher mittelfristigen Ziele: Aus- und Umbau der Grenzschutzagentur Frontex zu einer "echten europäischen Grenz-schutzpolizei" mit sechs Mal so viel Personal wie bisher. Und Ausbau des Asylbüros Easo zu einem "europäischen Asylamt", das sich um die Angleichung der Asylpraxis in der EU und die Prozeduren an den Außengrenzen kümmern soll.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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