EU-Flüchtlingspolitik:Die Balkan-Route - erst Umleitung, dann Vollsperrung?

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Die Balkanroute im Februar 2016 (Foto: N/A)

Die Visegrád-Gruppe fordert Mazedonien auf, die Grenze zu Griechenland für Flüchtlinge abzuriegeln. Damit wäre die Balkan-Route blockiert.

Noch immer setzen täglich 1000 bis 2000 Flüchtlinge mit Booten aus der Türkei nach Griechenland über, 76 607 Menschen waren es dem UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR zufolge bereits in diesem Jahr. Die meisten sind Syrer, Afghanen und Iraker. Von Griechenland aus machen sich die meisten über die sogenannte Balkanroute auf den Weg Richtung Norden. Die Strecke führt sie vor allem durch Mazedonien, Serbien, Kroatien weiter nach Slowenien bis nach Österreich und Deutschland.

Bevor Ungarn seine Grenze zu Serbien und Kroatien durch Zäune und Sperren abgeschottet hat, waren einige Flüchtlinge auch über Bulgarien und Rumänien gereist. Die Strecke über Ungarn ist nun blockiert, so dass sie eine Route westlich des Landes nehmen.

Einige EU-Länder wollen auch diesen Weg blockieren oder die Reise zumindest deutlich erschweren. Der Grund: Die skandinavischen Länder beschränken inzwischen die Aufnahme von Flüchtlingen. Und Österreich, in das täglich noch etwa 2000 Menschen kommen, lässt nur noch jene ins Land, die hier oder in Deutschland Asyl suchen. An der Grenze wurden Zäune errichtet. Außerdem hat Wien für 2016 eine Obergrenze von 37 500 Flüchtlingen festgelegt.

Die Länder entlang der Balkanroute befürchten deshalb einen "Rückstau" von Flüchtlingen. Slowenien, Kroatien und Mazedonien lassen nur noch Syrer, Afghanen und Iraker über die Grenze - wenn diese Deutschland oder Österreich als Ziel angeben. Slowenien hat an der Grenze nach Kroatien einen Stacheldrahtzaun errichtet.

In Serbien herrscht die Sorge, das Land könne nun zu einer Art Flüchtlings-Pufferzone für die EU-Staaten werden. Man will aus Mazedonien ebenfalls nur noch Flüchtlinge ins Land lassen, die in Österreich oder Deutschland bleiben wollen.

Mazedonien hat bereits einen 22 Kilometer langen Zaun entlang der Grenze zu Griechenland errichtet und die Grenzübergänge für Flüchtlinge zwischenzeitlich sogar ganz geschlossen. Nun wird die Grenze durch einen zweiten 37 Kilometer langen Zaun verstärkt.

Grenzschließung zwischen Griechenland und Mazedonien gefordert

Der sogenannten Visegrád-Gruppe aus Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei, die am Montag in Prag zu einem Gipfeltreffen mit dem mazedonischen Präsidenten und dem bulgarischen Ministerpräsidenten über die Flüchtlingspolitik zusammenkam, reicht das nicht. Die Gruppe fordert, dass Mazedonien seine Grenze nach Griechenland abriegelt, da Athen bislang nicht in der Lage ist, die Grenzen der EU ausreichend zu sichern.

Solange eine europäische Strategie fehle, sei es legitim, dass die Staaten auf der Balkanroute ihre Grenzen schützen, sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák dem Spiegel. Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat Mazedonien aufgefordert, die Grenze abzuriegeln, sobald die Aufnahmegrenze in seinem Land erreicht sei.

Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien haben darüber hinaus Polizisten nach Mazedonien geschickt, die helfen sollen, Flüchtlinge aufzuhalten. Polen will offenbar nachziehen. Und auch Österreich würde Mazedonien mit Polizisten und Technik helfen - "eventuell sogar mit Soldaten, wenn diese gebraucht werden sollten", sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz der Welt. In Athen befürchtet man, dass nach einer Grenzschließung Mazedoniens Zehntausende Flüchtlinge festsitzen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) haben in einem Brief an sozialdemokratische Staats- und Regierungschefs der EU allerdings vor einer Abschottung Mazedoniens in Richtung Griechenland gewarnt. "Ein formeller Ausschluss eines Mitgliedstaates aus dem Schengenraum oder seine De-facto-Ausgrenzung sind Scheinlösungen, die die europäische Debatte vergiften", schreiben sie. "Man kann nicht einfach Europas Außengrenzen neu definieren, und das noch über den Kopf betroffener Mitgliedstaaten hinweg."

Deutschland setzt in der Flüchtlingskrise vor allem auf Maßnahmen der Türkei und die neuen Registrierungszentren in Griechenland, die sogenannten Hotspots, die allerdings noch nicht alle fertiggestellt sind. Außerdem fordert Berlin, dass ein Teil der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf die EU-Staaten verteilt wird. Viele Länder wehren sich allerdings gegen diese Pläne, die etwa vom slowakischen Regierungschef Robert Fico als "Diktat" bezeichnet werden.

© SZ.de/mcs/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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