EU:Flucht aus der Verantwortung

Alle Staaten der Europäischen Union sollten Flüchtlinge übernehmen.

Von Thomas Kirchner

Ob die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ein Fehlschlag war? Sind Quoten zur Aufnahme von Schutzsuchenden "ineffizient"? Hat EU-Ratspräsident Donald Tusk also, wie Ungarn frohlockt, endlich "die Wahrheit" ausgesprochen, "die jeder kennt"? Die Antwort ist schwieriger, als die Kritiker Tusks suggerieren.

In praktischer Hinsicht hat die Idee, Asylsuchende aus den stark belasteten Staaten Griechenland und Italien in der ganzen EU zu verteilen, wenig beigetragen zur Lösung der Krise. Beendet wurde das Massensterben in der Ägäis durch die Schließung der Balkangrenzen und vor allem durch das EU-Türkei-Abkommen. Überflüssig war die Umverteilungspolitik deshalb aber nicht. Zum einen gelang es, Flüchtlinge zu registrieren und das Chaos des Jahres 2015 in den Griff zu bekommen. Zum anderen gab es eine politisch-psychologische Wirkung. Die Regierungen großer Aufnahmeländer wie Deutschland bestanden zu Recht auf einem Signal der Solidarität, sie wollten, dass sich alle in der EU bereit erklärten, wenigstens einen kleinen Teil der Flüchtlinge zu tragen. Und sie fordern, dass dieser Ansatz auch die Reform des EU-Asylsystems prägt. Staaten wie Ungarn und Polen verweigern sich dieser Idee komplett.

Dieser Konflikt geht tief, er symbolisiert die neue Spaltung Europas. Die EU, die noch immer Kompromisse gefunden hat, kommt hier an ihre Grenzen.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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