EU:Brüsseler Wutprobe

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Italien verletzt die Defizitkriterien. Schon wieder. Die Kommission ist deshalb sauer auf Rom. Zeigen wird sie es aber nicht.

Von Alexander Mühlauer

Vor zwei Wochen kam mal wieder Post aus Rom. Pier Carlo Padoan, der parteilose italienische Finanzminister, teilte der EU-Kommission mit, dass die Regierung in Rom das Staatsdefizit "in unserem Interesse" mit einer Strategie reduzieren werde, die das Wirtschaftswachstum schütze. Übersetzt bedeutet dies, dass Italien die vereinbarten Haushaltsziele in diesem Jahr wohl nicht einhalten kann. Eigentlich nicht weiter der Rede wert, denn in der Kommission hatten sie genau das befürchtet. Und doch stellte Padoan die Brüsseler Behörde damit auf die nächste Wutprobe.

Seit Jahren geht das nun schon so: Die Regierung in Rom ruft nach mehr "Flexibilität", also Nachsicht beim Stabilitätspakt. Und in der Tat reagierte die Kommission bislang äußerst flexibel, wenn Italien die vereinbarten Ziele nicht einhielt. Es gab aus römischer Sicht auch immer gute Gründe dafür: Flüchtlingskrise und mehrere Erdbeben - alles unvorhersehbare Belastungen für den Staatshaushalt.

Die große Sorge in Brüssel ist, dass Italien zum Krisenland werden könnte

Am Montag zeigte sich EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici nun überraschend versöhnlich. Von einem "Ultimatum" gegenüber Italien könne keine Rede sein, man sei in "sehr positiven Gesprächen mit Herrn Padoan". Was übersetzt heißt: Die EU-Kommission wird Italien wohl nicht so schnell bestrafen, wie manche in Rom schon befürchtet hatten.

Insofern geht es der neuen Regierung unter Paolo Gentiloni auch nicht anders als jener unter seinem Vorgänger Matteo Renzi. Die EU-Kommission hat kein Interesse daran, Italiens Bürger noch stärker gegen Brüssel aufzubringen, denn bereits jetzt sind die Anti-Euro-Populisten in den Umfragen erfolgreich. Auch wenn Renzi nie besonders nett zu den Kommissaren in Brüssel war - er nannte sie mit Vorliebe "Erbsenzähler" -, wussten sie in der EU-Kapitale was sie an ihm hatten: Renzi ist ein überzeugter Europäer. Nur als er den "Technokraten" einmal wieder auf die Nerven ging, wurde es sogar dem in Italienfragen besonders nachsichtigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu viel. "Je m'en fous", sagte Juncker über Renzi, was so viel heißt wie: "Der kann mich mal."

Über Gentiloni hat sich in Brüssel öffentlich noch niemand in so drastischen Worten geäußert. Was auch daran liegt, dass er bedächtiger agiert als Renzi. Im Kern bleibt aber nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum eine große Sorge: dass Italien wieder das wird, was es früher schon war, ein Land der Instabilität, das aufgrund seiner wirtschaftlichen Größe das Potenzial für eine Euro-Krise birgt.

Italien hat nach den USA und Japan in absoluten Zahlen die dritthöchste öffentliche Verschuldung weltweit. Der Schuldenstand beläuft sich auf 2,2 Billionen Euro. Und noch immer ringt Padoan mit der Kommission um einen Rettungsplan für die maroden italienischen Banken. Die Kombination aus politischer Unsicherheit und Finanznöten macht die Märkte nervös. Die Ratingagentur Moody's stellte die Bonitätsnote Italiens auf den Prüfstand.

EU-Wirtschaftskommissar Moscovici versuchte am Montag, diesen Sorgen entgegenzutreten. Er lobte die von Padoan geplanten Sparmaßnahmen - wobei er auch sagte, dass man sich das erst im Detail ansehen müsse. Einen Brief wird er aber fürs Erste wohl nicht schreiben. Schon gar keinen blauen.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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