Ernährung:Hopfen und Malz gewinnen

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Die Deutschen trinken weniger Bier - das ist nur für die großen Brauereien eine schlechte Nachricht. Denn jenseits ihres Einheits-Angebots haben kleine Anbieter eine Vielfalt entwickelt, die jeden Genießer erfreuen muss.

Von Gottfried Knapp

In der deutschen Autoindustrie gibt es trotz Diesel-Krise immer neue Rekordgewinne - die deutsche Bierindustrie, das Schlüsselgewerbe auf dem Nahrungssektor, musste dagegen in den vergangenen Jahren stets Absatzrückgänge vermelden. Die Deutschen trinken nicht mehr so viel Bier wie in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Die Gründe dafür sind freilich sehr vielfältig.

So machen zum Beispiel die Deutschen ausgiebig und überzeugt Urlaub in fremden Ländern. Auch wenn auf Pauschalreisen meist nur verwechselbare Banalkost serviert wird, hat sich das Geschmacksbewusstsein des verreisenden Volkes mit der Zeit gewandelt. Die verblüffenden Erfolge ausländischer Restaurants in deutschen Städten und die Omnipräsenz exotischer Früchte in deutschen Supermärkten sind ein lebendiges Zeichen für diesen Wandel.

Die deutsche Getränkeindustrie hat schon vor Jahren mit neuen Mixgetränken und Limonaden auf diesen Trend reagiert. Die großen Brauereien aber, die ja großenteils von internationalen Konzernen kontrolliert werden, haben diese Entwicklungen sträflich verschlafen. Offensichtlich haben sich die Manager der Illusion hingegeben, dass es genügt, eine Marke zu schaffen und sie den Verbrauchern in der Werbung ständig um die Ohren zu hauen - dies würde die Kunden schon davon abhalten, alternative Genüsse auszuprobieren. In Restaurants, die einer bestimmten Brauerei verpflichtet sind und keine anderen Biere ausschenken dürfen, hat der Bierkonsum tatsächlich nur geringfügig nachgelassen. Doch in den Getränkemärkten, deren Anteil am Gesamtabsatz immer größer wird, hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die krampfhaften Versuche der Händler, durch Billigbiere und wechselnde Sonderangebote bekannter Marken den Umsatz zu erhöhen, haben die Biertrinker zu Schnäppchenjägern erzogen. Das hat gerade diese Marken in Misskredit gebracht - dass die Großbrauerei Warsteiner nun jede sechste Stelle abbauen muss, ist ein Zeichen dieser Krise.

Die neuen Biere zwingen dazu, weniger zu trinken, dies dafür aber bewusster zu tun

Zugleich ist allerdings die Anzahl der Brauereien gewaltig gestiegen. Die großen Bier-Konzerne haben es im Lauf der Jahrzehnte zwar geschafft, fast allen kleinen Landbrauereien den Garaus zu machen, aber sie haben nicht verhindern können, dass sich eine Gegenkultur herausgebildet hat. Von Initiativen in den USA und im Bierland Belgien angeregt, experimentieren heute vielerorts junge Brauer nach alten Rezepten mit neuen Hopfensorten. Die internationale Craft-Bier-Welle hat Deutschland erfasst und manches verändert. Sie spendiert den Biertrinkern, die vom Pils-, Alt-, Export- und Weizen-Einerlei gelangweilt sind und nach Varianten dürsten, geradezu exotische Erfahrungen. Die würzigen, pointiert bitteren oder eigenwillig fruchtigen Biere, die deutlich mehr Alkohol enthalten und preislich keine Obergrenzen kennen, legen dem Genießer ein neues Verhalten nahe: Er wird zwangsläufig weniger trinken, aber das Trinken sehr viel bewusster erleben.

In Deutschland hat sich auf kulinarischem Sektor in den letzten Jahren so viel verändert, dass die Nachricht, es werde immer weniger Bier getrunken, nur die Hersteller beunruhigen kann. Dass Sommeliers von Sternelokalen die Weinbewirtung gerne mit einem Bier unterbrechen, zeigt, was sich hier getan hat.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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