Erbe der verstorbenen Premierministerin:"Thatcher hat Britannien wieder groß gemacht"

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Auch nach ihrem Tod polarisiert die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher Großbritannien. Im Unterhaus zollte Premier Cameron ihr heute seinen Respekt.  (Foto: AFP)

Manche Bürger feierten den Tod von Margaret Thatcher mit Tänzen und Schaumwein. Doch die Debatte um das Erbe der Premierministerin wurde mit Respekt geführt: Im sonst so rabiaten Unterhaus hält Premier Cameron eine glänzende Rede. Und die Opposition schweigt.

Von Christian Zaschke, London

Es ist eine ungewöhnliche Sitzung gewesen, zu der Premier David Cameron das britische Unterhaus am Mittwoch zusammengerufen hat. Die Parlamentarier haben derzeit Osterferien, doch anlässlich des Todes von Margaret Thatcher am Montag bestellte Cameron sie nach Westminster, um der ehemaligen Premierministerin Tribut zu zollen.

Die Konservativen folgten dem Ruf geschlossen, die oppositionelle Labour-Partei zeigte sich gespalten. Deren Chef Ed Miliband hatte seine Parteifreunde zwar erstens gebeten, doch bitte zu erscheinen, und zweitens, Kritik maßvoll zu äußern, gemäß dem Grundsatz, über die Toten nur in angemessener Weise zu sprechen. Doch manche Abgeordnete hatten damit ein Problem, nicht wenige Sitze auf der Oppositionsbank blieben leer.

Der ehemalige Labour-Staatssekretär John Healey blieb der Debatte fern mit der Begründung: "Thatchers Erbe ist zu bitter, um nun der Forderung nach Staatstrauer Folge zu leisten." Der Abgeordnete David Winnick nannte es "zutiefst heuchlerisch", nicht offen über alle Aspekte von Thatchers Vermächtnis zu sprechen. "Natürlich bedauert man es, wenn ein Mensch stirbt", sagte er. "Aber ich bedauere in erster Linie den immensen Schaden, den sie durch die Deindustrialisierung in den West Midlands verursacht hat." Fast wirkt es so, als habe Thatchers Tod alte Wunden wieder aufgerissen. Während ihrer Amtszeit von 1979 bis 1990 polarisierte sie wie kein britischer Politiker zuvor.

Camerons Rede, ein herausragender Moment politischer Kultur

David Cameron eröffnete die Sitzung mit einer glänzend geschriebenen Rede. Er pries Thatchers Vermächtnis, er flocht witzige Anekdoten ein und zog geschickt Parallelen zu seinen eigenen politischen Standpunkten. Anschließend hielt Ed Miliband eine wohltemperierte Rede. Es gelang ihm, auf dem haarfeinen Grat zu wandeln, Thatcher Respekt zu zollen, ohne zu verschweigen, dass seine Partei ihre Reformen mit Verve abgelehnt und bekämpft hat. Beide Reden waren ein Beispiel dafür, welch herausragenden Momente der politischen Kultur das oft laute, oft rabiate britische Unterhaus hervorzubringen imstande ist.

Damit unterschieden sie sich von manchen der Auseinandersetzungen, die derzeit im Land über Thatchers politisches Vermächtnis geführt werden. Diese nehmen zum Teil erstaunliche Formen an. So werden die britischen Download-Charts angeführt von einem Lied aus dem Film "Der Zauberer von Oz". Es heißt: "Ding Dong! The witch is dead" - die Hexe ist tot.

In Glasgow und im Londoner Stadtteil Brixton wurde Thatchers Tod mit Tänzen und Schaumwein gefeiert, größtenteils von Menschen, die die Regierungszeit der Eisernen Lady bestenfalls als Kinder erlebt haben. Thatchers Anhänger verständigten sich bald auf die Linie, dass die frühere Regierungschefin diese Form der Aufregung genossen hätte, insbesondere die Proteste. "Sie wäre enttäuscht gewesen, hätte es nicht lautstarke Proteste gegeben", sagte die konservative Abgeordnete Andrea Leadsom.

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Als Premierministerin führte sie Krieg gegen Argentinien, gegen Gewerkschaften, gegen den Wohlfahrtsstaat. Margaret Thatcher war eine knallharte Reformerin. Eine, die es den Männern zeigte, ohne Feministin zu sein. Eine, die auch nach ihrem Tod vergöttert werden wird - und gehasst.

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Zur Trauerfeier für Thatcher am kommenden Mittwoch haben sich viele Staatsgäste angesagt. Buckingham Palace hat das Erscheinen von Queen Elizabeth II. und Prinz Philip angekündigt. In einer ersten Stellungnahme sagte Thatchers Sohn Mark: "Meine Mutter wäre höchst erfreut und zutiefst geehrt, wenn sie wüsste, dass die Königin die Trauerfeier besucht." Er bedankte sich für die Anteilnahme im Land.

Thatchers Sarg wird am Mittwoch vom Parlament zur St. Paul's Cathedral gefahren. Nach der Trauerfeier soll Thatchers Leichnam im Kreis der Familie eingeäschert werden. Die Polizei bereitet nach eigenen Angaben eine Großoperation vor, da sie Anschläge linksextremer Gruppen oder irisch-republikanischer Dissidenten auf den Trauerzug befürchtet. Die Terrorgruppe Irisch-Republikanische Armee (IRA) hatte 1984 versucht, die Premierministerin mit einem Bombenanschlag in Brighton zu töten.

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Die Opposition schwieg würdevoll

Thatcher-Gegner kritisieren, dass die Trauerfeier zehn Millionen Pfund kosten wird. Außenminister William Hague, der seine politische Karriere als Protegé von Thatcher begann, sagte dazu: "Margaret Thatcher hat einen Rabatt auf unsere Beitragszahlungen zur Europäischen Union ausgehandelt, der dem Land bisher 75 Milliarden Pfund gespart hat. Ich glaube, das rückt die Frage der Kosten in die richtige Perspektive." Ein Teil der Kosten wird von der Familie - Thatcher hinterlässt zwei Kinder - und der Thatcher-Stiftung getragen, den Rest übernimmt der Staat.

Unter Thatchers Anhängern gibt es Pläne, sie mit einem Denkmal auf dem Trafalgar Square zu ehren. Zu den prominenten Fürsprechern gehört Verteidigungsminister Philip Hammond. Es sei angemessen, ihrer mit einem Denkmal in London zu gedenken, sagte er. Ein solches Denkmal würde durchaus eine Ironie der Geschichte bedeuten, denn auf dem Trafalgar Square kam es 1990 zu wütenden Protesten gegen die von Thatcher eingeführte Kopfsteuer. Diese Proteste spielten bei ihrer Ablösung eine wesentliche Rolle.

Die Reden Camerons und Milibands setzten am Mittwoch den Ton für eine bemerkenswerte Debatte, die ausgewogen war, offen und ehrlich. Die Befürchtungen David Winnicks bestätigten sich nicht: Es war keine heuchlerische Debatte, es war in weiten Teilen eine feine Debatte der Zwischentöne und des Respekts. Die Opposition stimmte ihm mit Sicherheit nicht zu, doch schwieg sie würdevoll, als David Cameron seine Rede mit den Worten beschloss: "Möge dies ihre Grabinschrift sein: Margaret Thatcher hat Britannien wieder groß gemacht."

© SZ vom 11.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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