Enzyklopädie:Großes kleines Lexikon

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Politikbegriffe werden von profunden Kennern der Materie kompetent erklärt - trotzdem haben sich ein paar Mängel eingeschlichen.

Von WERNER HORNUNG

Stammtischparolen sind flach wie ein Bierdeckel. Geradezu voluminös dagegen ist ein Taschenbuch, das die beiden Politikwissenschaftler Dieter Nohlen und Florian Grotz herausgegeben haben. Ihr anspruchsvolles Nachschlagewerk ist fast schon ein Klassiker, der mittlerweile in sechster, teils überarbeiteter und erweiterter Auflage vorliegt. Er umfasst inzwischen 799 Seiten, heißt aber immer noch: "Kleines Lexikon der Politik".

Was man nicht im Kopf hat, soll wenigstens im Bücherschrank stehen oder das Internet liefern: Zahlen, Daten, Fakten und Definitionen. Doch ist der Gebrauch vieler Lexika problematisch, sie bieten anonyme Beiträge und täuschen somit Objektivität vor. Dieser Einwand trifft hier nicht zu. Am Ende der 323 Beiträge findet sich (nach Literaturhinweisen) jeweils der Verfassername. Die 160 Autoren sind meist Professoren: Historiker, Juristen, Soziologen, Volkswirtschaftler und vor allem Politologen. Sie geben von "Abrüstung" über "Feminismus" oder "Rechtspopulismus" bis "Zivilgesellschaft" kompetent Auskunft; sie informieren über politische Institutionen, Organisationen, Entwicklungen, Theorien und Ideologien. Wobei mancher Text, etwa der zum Stichwort "Innenpolitik", weitaus fundierter verfasst ist als der entsprechende in der Web-Enzyklopädie Wikipedia.

Trotz vorhandener Faktenfülle vermisst man bereits beim ersten Durchblättern biografische Notizen zu wichtigen Politikern und ein paar grundlegende Artikel, z. B. "Antisemitismus" und "Bundeskanzler"; im Sachregister (versehentlich stets mit "Autorenverzeichnis" überschrieben) verweisen allerdings einige Seitenzahlen auf thematisch ähnliche Beiträge. Aktualisiert wurden nicht nur einzelne Stichwörter, sondern das gesamte Angebot. Deshalb gibt es nun drei Seiten zum Kapitel "Sport und Politik" und erstmals einen kompakten Überblick zum "Islamismus", in dem ausgerechnet der Anschlag auf das World Trade Center in New York falsch datiert ist: "11.9.2011". Kein Versehen können dagegen zwei andere Fehler sein, sie störten schon in der fünften Auflage: Erneut heißt es im Artikel über die "Grundrechte", dass es "1948/49" in Deutschland eine bürgerliche Revolution gab. Ebenso unkorrigiert heißt es zu den sozialdemokratischen Parteien, sie seien "in den Dekaden vor oder um die Wende zum 19. Jahrhundert" gegründet worden.

Trotz allem, dieses informative Kompendium ist eine enzyklopädische Marathonstrecke mit kleinen Hindernissen; und als poetische Parole vorneweg würde gut ein Aphorismus des Lyrikers Ingo Cesaro passen: "Kein einziger Mitdenker / konnte sich als Mitläufer qualifizieren."

Werner Hornung ist Mitverfasser des Handbuchs "Von Jahr zu Jahr" (Cornelsen-Verlag, 1997).

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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