Entwicklungshilfe soll umgebaut werden:Niebel und der "Höllenritt"

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Alles hört auf sein Kommando: Dirk Niebel will die Hilfsorganisation GTZ stärker unter seine Kontrolle bringen. Doch sogar im eigenen Haus formiert sich bereits Protest.

Stefan Braun, Berlin

Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) plant einen weit massiveren Umbau der deutschen Entwicklungshilfeorganisationen als bisher bekannt. So soll die im Besitz des Bundes befindliche Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) nicht nur mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Bildungsagentur Inwent fusionieren. Nach SZ-Informationen soll die mit weltweit 13.000 Mitarbeitern sehr mächtige GTZ auch stärker unter die Kontrolle des Ministeriums kommen. Sie könnte sogar ihren Namen und ihren Hauptsitz in Eschborn, wo 1800 Beschäftigte arbeiten, verlieren. Mit der Fusion von GTZ, DED und Inwent sollen einige hundert Stellen und eine Millionensumme an Kosten eingespart werden.

Nach Ansicht der Ministeriumsspitze hat sich die GTZ in den vergangenen Jahren zu sehr von der politischen Führung und von den Zielvorgaben des Ministeriums entfernt. Niebel möchte dem Ministerium deshalb gegenüber der GTZ mehr Macht verleihen und zugleich die verschiedenen Organisationen zusammenlegen, um dem Auftritt der deutschen Entwicklungshilfe im Ausland ein einheitliches Gesicht zu geben.

Kritiker dieser Linie sagen, Niebel wolle künftig in den Partnerländern einfach "das deutsche Fähnchen hissen". Befürworter einer Reform erwidern, mit einem einheitlichen Auftritt werde sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit erst wieder richtig kenntlich machen. Ministeriumsintern wird das Bestreben als "Höllenritt" bezeichnet, weil Niebel für sein Ziel die Unterstützung des Parlaments braucht und in der GTZ viele vom bisherigen System gut leben würden. Das zeige sich etwa daran, dass nicht das politisch verantwortliche Ministerium die Leistung der GTZ evaluiere, sondern die GTZ selbst. Das soll sich nun ändern.

In der Vergangenheit hat es oft Klagen der Partnerländer gegeben, weil der Auftritt der deutschen Entwicklungshelfer unübersichtlich sei, was die Zusammenarbeit erschwere. Intern ist deshalb von massiven Effizienzverlusten die Rede. Außerdem wird intern kritisiert, dass sich die GTZ immer stärker auf Drittgeschäfte mit anderen Auftraggebern konzentriert und ihre Kernaufgabe, die Erfüllung der Aufträge der Bundesregierung, vernachlässigt habe. Die GTZ betreibt Vertretungen in 87 Ländern und arbeitet mit 128 Ländern zusammen. Ihr Jahresumsatz betrug 2008 rund 1,22 Milliarden Euro. Der DED und Inwent haben jährliche Budgets von 140 Millionen und 100 Millionen Euro. Der DED hat 830 Mitarbeiter, Inwent 200.

Angesichts der Umbaupläne ist ein Machtkampf ausgebrochen, im Ministerium selbst, aber auch zwischen Niebels Haus und der GTZ. Während die Ministeriumsspitze begonnen hat, bei Parlamentariern für die Fusion zu werben, rüstet sich auch die GTZ, weil sie keine Macht aufgeben möchte. Vom Ministerium um eine Stellungnahme gebeten, erklärte die GTZ, sie halte nichts von der Gründung eines neuen Unternehmens und plädiere für eine Fusion, bei der DED und Inwent "den rechtlichen Rahmen der GTZ übernehmen". Begründung: "Die Verfasstheit der GTZ" biete bestmögliche Gewähr, die Ziele umfassend und ohne wesentliche zeitliche Verzögerungen zu erreichen. In einem beigefügten juristischen Gutachten heißt es weiter, dass andere Lösungen die Gefahr mit sich brächten, bei Übertragung von Immobilieneigentum an ein neu zu schaffendes Unternehmen Grunderwerbssteuer bezahlen zu müssen und womöglich die Gemeinnützigkeit zu verlieren.

Bei einem internen Treffen der Ministeriumsspitze mit den Geschäftsführern von GTZ, DED und Inwent am Wochenende ist der große Krach nach Informationen der SZ indes ausgeblieben. Auch zur Überraschung des Ministeriums signalisierten alle drei Organisationen, dass sie den Konflikt nicht auf die Spitze treiben wollten. Stattdessen, so hieß es, hätten alle Seiten sich verständigt, in "einem kooperativen Stil" über ein "identitätsstiftendes Geschäftsmodell" zu verhandeln. Entsprechende Gespräche sollen an diesem Montag beginnen.

Das BMZ trifft derzeit auch scharfe Kritik von außen. Denn seit dem Regierungswechsel hat Minister Niebel einen Großteil der Führung mit FDP-Mitgliedern besetzt. Dazu zählt auch der Politologe Tom Pätz, der den Umbau von GTZ, DED und Inwent organisieren soll. Niebel wurde am Wochenende auch von der Opposition kritisiert, weil er im Hamburger Abendblatt das Ziel infrage stellte, dass Deutschland bis 2015 seine Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts aufstocken werde.

© SZ vom 08.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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