Elke Twesten:Aus dem Plenum in den Hörsaal

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Sie verließ die Grünen und wurde dafür CDU-Mitglied. Das schlechte Ergebnis der Konservativen bei der Landtagswahl in Niedersachsen brachte Elke Twesten Spott und Häme ein. (Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Sie löste die Neuwahlen in Niedersachsen aus, nun verlässt sie den Landtag.

Von Lars Langenau, München

Mit ihrem am 4. August überraschend angekündigten Wechsel überrumpelte sie ganz Niedersachsen. Viereinhalb Jahre hatte die Ein-Stimmen-Mehrheit von Rot-Grün gehalten - und dann löste eine grüne Abgeordnete vorgezogene Neuwahlen aus: Elke Twesten war verärgert darüber, dass sie in ihrem Wahlkreis Rotenburg an der Wümme nicht erneut als Direktkandidatin aufgestellt und ihr überdies ein aussichtsreicher Listenplatz versagt wurde. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil fehlte daraufhin die Mehrheit zum Regieren, er schlug Neuwahlen vor.

Doch entgegen anderslautender Prognosen wurde der vergangene Sonntag kein besonders angenehmer Abend für die gelernte Fremdsprachensekretärin Twesten, die Wähler goutierten ihren Wechsel von der grünen zur schwarzen Landtagsfraktion offenkundig nicht. Ihre neue Partei, die CDU, verlor die Wahl. Stärkste Kraft wurde die SPD. Die 54-Jährige lauschte nach 18 Uhr nur kurz den Worten ihres Landeschefs Bernd Althusmann. Noch während seines Auftritts vor der Fraktion verließ sie den Saal, in dem sie sich bis dahin unauffällig im Hintergrund aufgehalten hatte.

Auf dem Weg durch das weitläufige Leineschloss begegnete sie ZDF-Reporter Wulf Schmiese, der mit ihr ein kurzes Interview führte. Zur Verabschiedung konnte er sich einen Kommentar nicht verkneifen: "Sie bleiben in der CDU - vermute ich."

Möglicherweise war das alles zu viel. Seit ihrem Austritt aus der Grünen-Fraktion bekam Twesten Hassbriefe, und in den sozialen Netzwerken wurden hämische Kommentare über sie veröffentlicht. Immer wieder hielt Weil der CDU im Wahlkampf den Wechsel Twestens als Verstoß gegen demokratische Spielregeln vor. Beim TV-Duell mit seinem Herausforderer sagte er: "Das war ein schwerer Fehler - ich glaube, das hängt Ihnen wie ein Mühlstein um den Hals, Herr Althusmann."

Selbst noch am Wahlabend mutmaßte er, dass das überraschend gute Abschneiden der SPD auch etwas mit Twestens Übertritt zu tun habe: "Dieser ziemlich dubiose Mehrheitswechsel im niedersächsischen Landtag ist bis heute im Hinterkopf von ganz, ganz vielen Menschen in Niedersachsen."

Nicht nur, dass die CDU abgestraft wurde und dass das Verhältnis zwischen CDU und SPD belastet ist. Twesten, so kann man es deuten, führte gleich zwei Parteien in die Verlustzone: Auch ihre Ex-Partei verlor landesweit stark und holte in ihrem Wahlkreis deutlich weniger Stimmen als bei der Wahl vor vier Jahren. Während die Grünen dort 2013 noch 16 Prozent der Zweitstimmen erreicht hatten, waren es diesmal nur 9,5 Prozent.

Die ehemalige Angestellte der Zollverwaltung verlässt nun den Landtag. Ob sie noch einmal die politische Bühne betritt, ist offen. Auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung antwortete Twesten nicht. Auf ihrer Internetseite schreibt sie, dass sie zum Wintersemester ein berufsbegleitendes MBA-Studium an einer privaten Fachhochschule in Buxtehude angefangen habe: "Ich freue mich auf diese für mich neue Herausforderung: Der MBA gibt mir die Möglichkeit, auf meinen bisher erlernten Kompetenzen im Bereich Verwaltung und Finanzen aufzubauen und mich beruflich weiterzuentwickeln." Der Master of Business Administration ist, so steht es da, ein international anerkannter, berufsbegleitender Management-Studiengang mit einem inhaltlichen Fokus auf Führungskompetenz.

Korrektur: In einer vorherigen Version stand, dass Twesten sich nach dem Interview mit dem ZDF wortlos umdrehte. Allerdings hatte sich der Reporter zuerst wieder der Kamera zugewendet, bevor sich auch Twesten abwendete.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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