Elektromobilität:Und sie bewegt sich doch

Lesezeit: 2 min

Ausgerechnet jene Industrie, die von ihren Kunden verlangte, immer auf dem neuesten Stand zu sein, wollte sich lange nicht verändern. Doch das ändert sich jetzt. Das neue Miteinander der Autokonzerne bei den Tankstellen für Elektroautos ist ein großer Schritt.

Von Thomas Fromm

Die Autoindustrie lebte lange mit einem großen Widerspruch. Sie sah es einerseits als ihre Aufgabe an, immer größere und schnellere Autos zu bauen. Sie selbst war langsam und ignorierte wichtige Entwicklungen. Damit das lukrative Geschäft mit immer neuen Fahrzeuggenerationen über so viele Jahre funktionieren konnte, mussten die Konzerne den Kunden suggerieren, dass hinter ihren Autos ein menschliches Grundbedürfnis stehe: Autofahren, das war wie Essen, Trinken oder Schlafen. Also brauchte jeder immer wieder ein neues Auto. Ausgerechnet jene Industrie aber, die von ihren Kunden verlangte, immer auf dem neuesten Stand zu sein, wollte sich nicht verändern.

Selbst als an der US-Westküste die ersten Elektroautos einer damals neuen Firma mit dem Namen Tesla über den Highway surrten, rollten deutsche Manager mit den Augen. "Wir brauchen keine brennenden Autos", höhnte VW-Patriarch Ferdinand Piëch vor einigen Jahren über Batterie-Fahrzeuge. Wofür hatte man so lange am Dieselmotor herumgeschraubt? Doch nicht, um jetzt Elektrovehikel zu bauen.

Die Automobilindustrie erlebt eine Zäsur in ihrer Geschichte

Immer größer, immer schneller, und jeder für sich allein - das war das Gesetz, an das sich jeder Automanager zu halten hatte. Ein Gesetz, das in der neuen Autowelt, in der auch IT-Konzerne wie Google und Apple Autos bauen könnten, nicht mehr gilt. Schon als Audi, BMW und Daimler im vergangenen Jahr zusammen fast drei Milliarden Euro für den digitalen Kartenanbieter Nokia Here auf den Tisch legten, war klar: Da passiert gerade etwas in dieser sonst so starren Branche. An diesem Dienstag dann teilten die Autobauer mit, dass sie in den nächsten Jahren gemeinsam ein Schnell-Ladenetz für Elektroautos bauen wollen - mehr als nur eine dieser Routine-Meldungen aus der Wirtschaft. Die Konzerne haben jetzt, um im Bild zu bleiben, Vollgas gegeben. Sie haben erkannt, dass sie noch so schöne und moderne Elektroautos bauen können: Wenn der Kunde keine Ladesäulen hat, wird er auch in Zukunft einen großen Bogen um die Stromautos machen. Alleine haben sie kaum eine Chance mehr gegen einen Konzern wie Tesla, der seinen Kunden seit Jahren schon maßgeschneiderte Stromtankstellen in die Landschaft stellt.

Jeder für sich - das ging so lange gut, wie jeder an seinen eigenen Verbrennungsmotoren bastelte, die, so verlangte es die Branchen-Doktrin, ja immer besser und kräftiger zu sein hatten als die jeweiligen Motoren der Konkurrenz. Ein Gemeinschaftsunternehmen von sehr selbstbewussten Konzernen wie Audi, BMW und Daimler ist daher eine Zäsur in der Geschichte dieser Industrie. Und eine Botschaft nach innen und außen, die bedeutet: Es geht jetzt um so viel, dass wir unseren Wettbewerb jetzt mal beiseitelassen. Wann hat es so etwas schon mal gegeben?

Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es schon als äußerst pikanter Tabubruch, wenn sich zwei Rivalen zusammentaten, um gemeinsam Dinge wie Gurtstraffer, Scheibenwischer oder elektrische Fensterheber bei Zulieferern einzukaufen, um über den Mengenrabatt etwas Geld zu sparen. Man tat es, aber man sprach nicht gerne darüber. Ein BMW sollte für die Kunden ein BMW bleiben, ein Daimler ein Daimler; und zwar vom Stern über den Motor bis hin zum Gurtstraffer.

Es ist sehr gut möglich, dass die gemeinsame Arbeit an den Tankstellen der Zukunft nur der Anfang ist. In den nächsten Jahren müssen die Hersteller entscheiden, ob sie die Batteriezellen für ihre Elektroautos weiterhin aus Asien beziehen; oder ob sie selbst in die teure Produktion gehen wollen, um Arbeitsplätze zu schaffen, die in der Produktion von Benzinmotoren verloren gehen. Und wenn sie es tun, müssen sie sich fragen: alleine oder zusammen?

Zusammen wäre besser.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: