Einwanderung:Der Jahrhundert-Murks

Solange es kein Migrationsgesetz gibt, sind neue Asylparagrafen ausländerfeindlicher Murks.

Von Heribert Prantl

Über 134 Jahre nach Beginn der Anwerbung polnischer Arbeitskräfte im Kaiserreich; 59 Jahre nach dem ersten Anwerbeabkommen der Bundesrepublik; 51 Jahre nach der Begrüßung des einmillionsten Gastarbeiters im Nachkriegsdeutschland; 34 Jahren nach der Feststellung von Max Frisch, man habe Arbeitskräfte gerufen, aber Menschen seien gekommen; 15 Jahre nach der Arbeit der Süssmuth-Kommission, die die "Zuwanderung gestalten" wollte; 14 Jahre nach dem gescheiterten Zuwanderungsgesetz-Entwurf des Bundesinnenministers Otto Schily - nach all dieser Zeit ist es notwendig, endlich, endlich ein schlüssiges Migrationsgesetz vorzulegen.

Alle "Balkan-Pakete", wie Ministerpräsident Kretschmann wieder eines auf den Weg bringen will, alle Versuche, an Asylgesetzen herumzuschrauben, Visumpflichten wieder einzuführen, das Leben für Flüchtlinge bitter zu machen, all diese Versuche sind hilfloser oder ausländerfeindlicher Murks. Wichtig, richtig und Erfolg versprechend ist: Neben der Tür, auf der "Asyl" steht, muss eine zweite geöffnet werden, auf der "Einwanderung" steht.

Einwanderung kann und muss man klug gestalten. Diese kluge Gestaltung wird verhindern, dass Menschen, die nicht ins Asylverfahren gehören, ins Asylverfahren drängen - weil ihnen derzeit nichts anderes übrig bleibt. Es ist Zeit dafür, im Einwanderer nicht den Störer, sondern den neuen Staatsbürger zu sehen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: