Einbürgerung:Eintrittskarte für die Welt

Lesezeit: 2 min

Ein junger Türke erhält die deutsche Staatsangehörigkeit: Der Pass hat für Tufan Avci viele Vorteile - aber entscheidet auch nicht alles.

Felix Berth

Für junge Menschen kann die Welt der Nationalstaaten ziemlich kompliziert sein. So beobachtete der Türke Tufan Avci, 17 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Duisburg, am Beispiel seines älteren Bruders, wie nützlich ein deutscher Pass sein kann: Der große Bruder wollte vor einiger Zeit ein Medizinstudium in Istanbul beginnen.

Tufan Avci, 17 Jahre alt, ist in Duisburg aufgewachsen. (Foto: Foto: oh)

Die Universität nahm aber für ihren englischsprachigen Studiengang lieber Deutsche als Türken auf, weshalb sich Avcis Bruder in der Bundesrepublik einbürgern ließ. Seitdem studiert ein junger Mann, der bis vor einiger Zeit Türke war, mit einem deutschen Pass am Bosporus. Wundersame globalisierte Welt.

Tufan Avci hat daraus gelernt, dass sogar in internationalen Studiengängen die deutsche Nationalität Vorteile hat: "Das war für mich schon eine Lehre", sagt Avci, der derzeit noch die 11. Klasse eines Duisburger Gymnasiums besucht. Weil er sich vorstellen kann, demnächst in Frankreich Mode-Design zu studieren, lässt er sich am heutigen Dienstag einbürgern; Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihn - als einen von 16 Aspiranten - dazu ins Berliner Kanzleramt eingeladen. "Natürlich ist meine Familie sehr stolz", sagt Avci.

Es werde ihm nicht schwerfallen, seinen türkischen Pass abzugeben, vermutet er. Zumal danach das türkische Militär kein Interesse am Wehrpflichtigen Avci mehr entwickeln wird: Auf ihn wartet die Bundeswehr oder der deutsche Zivildienst, aber keine Soldatenausbildung in türkischen Kasernen, die als eher unkomfortabel gilt.

Tufan Avci ist aus Sicht des Kanzleramts wahrscheinlich ein Musterbeispiel für Integration. Er hat sich bewusst für den deutschen Pass entschieden; sein Vater, ein Akademiker mit türkischem Pass, hatte ihm - wie auch dem Bruder - die Entscheidung überlassen. Dass seine Heimat die Bundesrepublik ist, war längst keine Frage mehr: Die Türkei ist das Land der Großeltern, das Land für den Sommerurlaub, mehr nicht.

"Ich habe an meiner Schule viel mehr deutsche Freunde als türkische", sagt Avci. Was zum Teil auch daran liegen dürfte, dass es nicht viele Kinder aus türkischen Familien auf ein deutsches Gymnasium schaffen. In Tufan Avcis Klasse mit ihren 25 Schülern ist noch genau ein Mädchen, das türkische Eltern hat.

Die Einbürgerung ist für Avci wohl eine Art Eintrittskarte - nicht für die Bundesrepublik, denn hier ist er längst verwurzelt, sondern für die Welt der westlichen Industriestaaten, in die er in Zukunft ohne Visum reisen kann. Was freilich nicht bedeutet, dass sich seine Zukunftspläne komplett von der Türkei gelöst haben.

Noch hat er zwar keine feste Freundin; wenn er eines Tages eine haben sollte, dürfe sie durchaus Deutsche sein, sagt Avci. Doch falls es später einmal ans Heiraten geht, ist sein Plan bisher auch recht entschieden: "Heiraten möchte ich eine Türkin", sagt Avci.

"Denn da ist mir die Nationalität wichtig." Was wohl beweist, dass ein Pass zwar vieles entscheidet, aber in manchen wichtigen Dingen des Lebens auch ziemlich belanglos ist.

© SZ vom 12.5.2009/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: