Einbrüche in Deutschland:Verlust der Geborgenheit

Lesezeit: 2 min

Einbrüche bleiben in Deutschland häufig ungeahndet. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Leider ist die Figur des dummen Einbrechers ein Einzelfall: Banden aus Osteuropa betreiben das kriminelle Geschäft professionell, Staatsanwälte kritisieren Mängel bei der Polizeiarbeit. Die Folge: Nur in zwei von hundert angezeigten Fällen wird am Ende ein Täter verurteilt. Der Schaden ist immens - und keineswegs nur finanziell.

Von Roland Preuß

Der Einbrecher muss hungrig gewesen sein, womöglich sogar unterzuckert. Das könnte jedenfalls sein Vorgehen erklären: Der 22-Jährige schlug die Scheibe eines Hauses ein, verteilte dabei reichlich Blutspuren und ließ neben mehreren Elektrogeräten auch noch ein paar Snacks und eine Packung Fruchtzucker mitgehen. Dass die Tüte ein Loch hatte, muss dem Mann entgangen sein. Die Zuckerspur endete an einem Mehrfamilienhaus in der Nachbarschaft. Der polizeibekannte Junkie aus Bergisch-Gladbach war rasch ermittelt. "Blödmann verhaftet", titelte die Boulevard-Presse.

Leider ist die Figur des dummen Einbrechers ein Einzelfall. Die Zahl der Einbrüche wächst seit Jahren, während immer weniger Täter erwischt und auch verurteilt werden. Der bundesweiten Kriminal-Statistik zufolge, die an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt wird und die der SZ in Auszügen vorliegt, ist die Zahl der Wohnungseinbrüche im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2011 um 8,7 Prozent gestiegen. Seit 2008 verzeichnet die Polizei damit ein Drittel mehr ausgeräumte Häuser und Wohnungen. Das Risiko der Täter ist dabei erschreckend gering. Schon die offizielle Aufklärungsquote liegt bei nur 15,7 Prozent, die Polizei ermittelt also lediglich in etwa einem von sechs Fällen einen Tatverdächtigen.

Beweise reichen oft nicht für Anklage

Tatsächlich wegen Einbruchs verurteilt wird nur ein Bruchteil davon: Nur in zwei von hundert angezeigten Fällen steht am Ende des Verfahrens ein Urteilsspruch. Einbrechen ist somit ein weitgehend risikoloses kriminelles Geschäft. Dies zeigt eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN). Den Ursachen geht das Institut derzeit in einem Forschungsprojekt nach. Die Staatsanwälte kämen oft zu dem Ergebnis, dass die Beweise für eine Anklage nicht belastbar genug seien, sagt der KfN-Direktor und Kriminologe Christian Pfeiffer.

Die Staatsanwälte sehen die Ursache vor allem bei Tätern, die immer geschickter vorgehen und bei Mängeln in der Polizeiarbeit. "Wir haben es zunehmend mit osteuropäischen Banden zu tun, Profis, die kaum Spuren hinterlassen", sagt Jochen Hartmann, Vizevorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen. Das Land verzeichnet bundesweit eine der höchsten Einbruchszahlen. Zudem braucht die Polizei nach Einschätzung Hartmanns zu lange, diese wenigen Spuren auszuwerten. Nach seiner Einschätzung wird schlechter ermittelt als früher. "Die Akten werden bei häufigen Delikten wie Einbrüchen nicht mehr so gut bearbeitet wie in den 90er Jahren. Wir müssen die Polizei immer wieder zu Nachermittlungen veranlassen", sagt Hartmann.

Dies hänge auch mit den ständigen Umstrukturierungen der Polizei zusammen. "Es gibt weniger erfahrene Kripo-Leute, die Beamten werden nicht mehr so gut spezialisiert." Ähnlich hatte sich vor Kurzem auch der Richterbund in Niedersachsen geäußert. Dementsprechend stellen die Staatsanwälte viele Verfahren offenbar mangels überzeugender Beweise ein. Ein weiterer Grund für die niedrige Erfolgsquote könnte darin liegen, dass die Täter ins Ausland verschwinden und nicht für ein Verfahren greifbar sind.

Jeder vierte Bestohlene hat starke Angstgefühle

Pfeiffer warnt davor, die Auswirkungen von Einbrüchen zu unterschätzen. Der materielle Schaden für die Opfer liegt zwar im Schnitt lediglich bei wenigen tausend Euro. "Es geht aber um weit mehr als finanzielle Einbußen. Da wird Geborgenheit zerstört", sagt Pfeiffer. Eine Umfrage seines Instituts von 2011 hat die Auswirkungen auf die Opfer von Einbrüchen veranschaulicht. Jeder vierte Bestohlene sprach von starken Angstgefühlen, jeder Dritte fühlte sich in der eigenen Wohnung nicht mehr sicher, nachdem Terrassentür, Fenster oder Dachluke aufgehebelt worden waren. Jedes fünfte Opfer zog nach der Tat aus der Wohnung aus. Frauen zeigten sich in der Umfrage durchweg stärker berührt von dem Eindringen in die Intimsphäre Wohnung als Männer.

Auffällig sind die großen regionalen Unterschiede bei den Einbrüchen. Die meisten Fälle pro Einwohner registriert die Polizei in Berlin, Bremen und Hamburg, bei den Flächenstaaten führt Nordrhein-Westfalen gefolgt von den ostdeutschen Bundesländern. Am besten stehen Bayern und Baden-Württemberg da, wo das Risiko einer geplünderten Wohnung fast um zwei Drittel niedriger ist als in der Hauptstadt. Allerdings verzeichnete auch Bayern im vergangenen Jahr deutlich mehr Fälle als noch 2011.

© SZ vom 14.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: