Drogenfund bei Ahmad Wali Karsai:Halbseidener Halbbruder

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Seit Jahren wird der Halbbruder des afghanischen Präsidenten verdächtigt, in den Drogenhandel verwickelt zu sein. Angeblich wurde nun tonnenweise Opium bei Ahmad Wali Karsai gefunden.

Hans Leyendecker

Die Meldung war klein, kaum eine Zeitung in Europa hielt sie für bedeutsam: Mitte Mai hatten Unbekannte auf den Wagen des Halbbruders des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai einen Anschlag verübt. Ein Wachmann wurde getötet, Ahmad Wali Karsai wurde nicht verletzt. Interessant war nur die Reaktion westlicher Sicherheitsbehörden. Ihren Analysen zufolge hatte es sich wohl um eine Auseinandersetzung im Drogen-Milieu gehandelt.

Ein Mohnfeld in Afghanistan: Schätzungen zufolge leben am Hindukusch etwa drei Millionen Menschen vom Anbau des Schlafmohns, aus dem Heroin gewonnen wird. (Foto: Foto: AP)

Am Mittwoch meldete der Stern vorab, britische Spezialeinheiten hätten am 22. Juli bei einer Operation gegen den Drogenhandel im Süden der Provinz Kandahar mehrere Tonnen Rohopium (getrockneter Milchsaft des Schlafmohns) auf dem Gelände eines von Polizisten bewachten Gehöfts gefunden, das dem Halbbruder Karsais gehöre.

Protokolle und Videos der Verhöre lägen dem Präsidenten und dem afghanischen Innenministerium vor, die aber nichts tun würden. Voriges Jahr hatte die New York Times berichtet, dass der Halbbruder Karsais in den lukrativen Heroinhandel verwickelt sei. Der Staatschef hatte damals seinen Verwandten in Schutz genommen und erklärt, die Drogengeschichte basiere auf Gerüchten.

"Was finden Sie an dem Fund von Tonnen Rohopium beim Bruder überraschend?", fragt etwas spöttisch ein mit den Gewohnheiten in Afghanistan vertrauter Gesprächspartner auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

Dass die Taliban, aber auch Teile der Regierung und der Regierungsfamilien mit Rohopium gute Geschäfte machten, sei bekannt. Die britische Botschaft in Kabul, die eine Sondergruppe zur Bekämpfung des Drogenanbaus beherbergt, hatte schon vor geraumer Zeit ausreichend Belege für die Verwicklung des Karsai-Bruders in das Drogengeschäft vorgelegt.

Auf den einschlägigen Listen amerikanischer Dienste über Drogenbarone in Afghanistan rangiert Karsais Halbbruder auf einem der Spitzenplätze - ebenso wie der für die Bekämpfung des Drogenhandels zuständige Vize-Innenminister.

Das Büro für Drogen und Kriminalität der Vereinten Nationen (UNODC) teilt regelmäßig mit, dass Afghanistan seinen Platz als größter Heroinlieferant der Welt behalten habe. Der überwiegende Teil des Anbaus, mit dessen Ertrag Afghanistan inzwischen mehr als 90 Prozent des Weltmarkts bediene, erfolge in den Provinzen im Süden und Südwesten, die auch den Hort des Widerstands gegen die Zentralregierung sowie in- und ausländische Streitkräfte bildeten.

Im Februar publizierte die UNODC eine Studie, wonach die Opiumproduktion erstmals seit Jahren leicht zurückgehe. Das sei im Wesentlichen auf die außergewöhnliche Trockenheit, hohe Preise für Getreide und vor allem darauf zurückzuführen, dass Rekordernten die Preise fürs Rohopium gedrückt hätten. Auch hätten einige lokale Stammes- und Religionsführer den Anbau von Schlafmohn untersagt.

Als die Taliban noch ihr Steinzeit-Regime über das Land gelegt hatten, war die braune Paste zeitweise verboten. Mit einem Dekret des einstigen Taliban-Führers Mullah Omar wurde der Mohnanbau im Jahr 2000 von 80.000 auf 7000 Hektar verringert. Allerdings hatten die Taliban den Nachschub künstlich verknappt, weil die Weltmarktpreise für Rohopium drastisch gefallen waren.

Vom Anbau des Schlafmohns leben in Afghanistan nach Schätzungen von Nachrichtendiensten etwa drei Millionen Menschen. Die Taliban finanzieren ihren Kampf zum Teil mit Drogengeld. Auch einflussreiche Geschäftsleute, politische Funktionsträger, pakistanische und iranische Geheimdienste profitieren von dem Milliardengeschäft.

Am Ende aber will es nie einer gewesen sein. Der vom Stern gemeldete Fund bei dem Halbbruder werde keine Folgen haben, prophezeit ein Gesprächspartner. Die Geschichte gehe meist so aus, dass der Bruder einem Bauern den Hof freundlicherweise überlassen habe, und dann habe der "so was gemacht". Schon als die New York Times von angeblich schmutzigen Geschäften des Halbbruders berichtete, hätten viele Afghanen fälschlicherweise gemeint, jetzt habe auch die Stunde des Präsidenten geschlagen.

© SZ vom 13.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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