Die Welt der Familienministerin:Ich, Kristina Köhler

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Netzwerke, Vorbilder und die Pizza-Connection: Kristina Köhler gewährt in einem Buch Einblicke in ihre Gedankenwelt - da war sie noch nicht Ministerin.

Für sein kürzlich erschienenes Buch "Angepasst und Ausgebrannt" interviewte SWR-Chefreporter Thomas Leif den deutschen Politik-Nachwuchs. Sein Fazit: Die Politik verliere an Kompetenz, weil sie sich Quereinsteigern nicht öffne. Der Nachwuchs rekrutiere sich über Cliquen und Netzwerke - nach ganz oben schafften es nur die Angepassten.

Sie hat gut zu lachen: Nachwuchspolitikerin Kristina Köhler wurde mit 32 Jahren neue Familienministerin. (Foto: Foto: Reuters)

Leif sprach mit mehreren jungen Politikern - darunter auch Kristina Köhler (CDU), die an diesem Montag Nachfolgerin von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wurde. Was Köhler über die Karriere in der Politik sagte.

Über ihr eigenes Netzwerk

"Mein Netzwerk geht weitgehend auf die Junge Union zurück. Es sind alles Leute, mit denen ich in irgendeiner Art und Weise schon in meinen ersten Jahren in der Jungen Union zu tun hatte und die jetzt führende Positionen im Stadtparlament, in der Fraktion, auf der Landesebene und auch als Dezernenten im Magistrat innehaben. Wir gehören gewissermaßen zu einer Generation, wobei Generation hier eine Spanne von 25 Jahren bedeutet. Man könnte auch so sagen: Wir sind gemeinsam in der Partei vorangekommen."

Über ihre Schlüsselpersonen in der Politik

"Für meine politische Arbeit ganz besonders wichtig sind zehn Leute. Man lädt sich mal zu einem Glas Wein ein, bekocht sich und solche Dinge."

Über Roland Koch

"Er honoriert es, wenn einer in der freien Wirtschaft als Mittelständler einen Betrieb geleitet hat. Genau so einem Typ vertraut er. Und er schätzt das gleichzeitige Denken auf der inhaltlichen und auf der taktischen Ebene. Oder die Fähigkeit, auf der inhaltlichen und strategischen Ebene zu denken. Darin ist er selbst brillant, und natürlich guckt er nach Leuten, die das ähnlich können."

Über Angela Merkel

"Sie guckt auf kluge, originelle und unaufgeregte Ideen. Sie guckt vielleicht auch auf eine gewisse Unprätentiösität, die sie ja selbst an den Tag legt."

Über neoliberales Denken und Familienpolitik

"'Neoliberal' ist ja ein negativ konnotierter Begriff. Aber das, was damit gemeint ist, teilen wir in gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Fragen durchaus: Wir teilen die Überzeugung, dass wir ein Land brauchen mit weniger Umverteilung und mehr Eigenverantwortung, dass wir die Freiheit bei uns massiv einschränken, und dass sich das ändern muss. In innenpolitischen Fragen, die echte sicherheitspolitische Fragen sind, befürworten wir einen starken Staat. In gesellschaftspolitischen Fragen, Familienpolitik, Schulen, Lebenspartnerschaft und so weiter, sind wir alle sehr liberal."

Über die "Pizza-Connection", einen informellen Kreis, der Schwarz-Grün als Perspektive favorisiert und dem auch Köhler angehört

"Die 'Pizza-Connection' ist sehr atmosphärisch. Man trifft sich und diskutiert keine Inhalte durch, schlägt auch kein gemeinsames Regierungsprogramm vor. Die 'Pizza-Connection' hat wesentlich dazu beigetragen, dass Schwarz-Grün jetzt ein realistisches Szenario im Bund ist. Sie hat uns verdeutlicht, dass ein bürgerlicher Habitus Schwarze und Grüne verbinden kann. Hamburg war der Vorbote für die schwarz-grüne Annäherung."

Über die Gründe für Erfolg in der Politik

"Man muss fachpolitisch sein Thema finden. Wenn man Glück hat, ist es ein einigermaßen kommunizierbares Thema. Pech ist, wenn das Thema das 'Legehennenbetriebsregistergesetz' ist."

Über den Umgang mit Medien

"Für Nachwuchsabgeordnete ist die Wahlkreispresse das A und O. Der ist man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Mit der muss man einen Start finden, sonst existiert man nicht für den Wahlkreis. Da kann man zu noch so vielen Festen gehen, man wird immer nur einem Prozent seiner Wähler begegnen. Ohne die Lokalpresse hat man gar keine Chance. Während meines ersten Wahlkampfes hatte ich auch viele Geschichten in der Boulevardpresse, weil es hieß: jüngste CDU-Kandidaten gegen alte, linke SPD-Front. Das war natürlich ganz hübsch. Da habe ich bewusst in der Bunten, in der Cosmopolitan und in der Petra Geschichten gemacht. Was ich auf diese Art und Weise an Bekanntheit erreicht habe, hätte ich sonst nicht so einfach bekommen. Ich habe das aber, als ich in den Bundestag kam, radikal wieder abgeschaltet und mich auf fachliche Dinge konzentriert, weil ich keine Lust hatte, immer nur als die junge blonde Frau wahrgenommen zu werden. In den überregionalen Medien ist der entscheidende Punkt für Nachwuchsmenschen wie mich die fachliche Expertise. Man muss ein Alleinstellungsmerkmal haben.

Auszüge aus: Thomas Leif, "Angepasst und Ausgebrannt: Die Parteien in der Nachwuchsfalle". Erschienen beim C. Bertelsmann Verlag, München, 2009.

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