Die Schweiz im Steuerstreit mit Deutschland:Wenn deutsche Spione gegen Schweizer Recht verstoßen

Deutsche Politiker werfen Bern vor, Kriminelle zu schützen und mit Haftbefehlen gegen unbescholtene Steuerfahnder vorzugehen. Doch Schweizer Politiker und Medien betonen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens und pochen auf ihre Souveränität: "Selbst Deutschland wird verstehen müssen, dass wir uns nicht alles bieten lassen." Wie aufgeheizt die Stimmung derzeit ist, zeigt auch die Posse um ein angebliches Reiseverbot von Credit-Suisse-Bankern.

Barbara Galaktionow

Die Schweizer Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen sorgen in Deutschland für massives Unverständnis. Die Schweiz schütze Kriminelle und jage Steuerfahnder, empört sich beispielsweise der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin. Nicht "Diktatoren und Massenmörder", die ihr "geraubtes Vermögen oft genug in die Schweiz gebracht" hätten, würden dort verfolgt, sondern Steuerfahnder, kritisiert der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß. Und der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider äußert die Ansicht, dass dies "keine juristische, sondern eine politische Auseinandersetzung" sei.

In der Schweiz sieht man das anders. Ganz anders. Keineswegs könne davon die Rede sein, dass die Schweizer Justiz zu Unrecht gegen die Steuerfahnder aus Deutschland vorgehe, erklären Politiker und Kommentatoren in den Zeitungen. Der Tenor: Es handelt sich um eine juristische und nicht um eine politische Frage.

Das Vorgehen gegen die deutschen Steuerfahnder sei "eine Sache der unabhängigen Justiz", sagt beispielsweise Martin Baltisser, Generalsekretär der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), dem Zürcher Tages-Anzeiger zufolge. "Wenn schweizerisches Recht verletzt wurde (wovon ich ausgehe), musste er (der Bundesanwalt, Anm. d. Red.) handeln."

Mit dieser Ansicht steht Baltisser nicht allein da. "Der Bundesanwalt muss in jedem Fall unabhängig von der Politik handeln", betont auch Wirtschaftspolitiker Ruedi Noser im Tages-Anzeiger. Nationalrat Martin Landolt von der Mitte-Rechts-Partei BDP sagt dem Blatt, die Schweiz habe eine Rechtsordnung, die es durchzusetzen gelte. Und schiebt schärfer hinterher: "Und selbst Deutschland wird verstehen müssen, dass wir uns nicht alles bieten lassen."

Noch deutlicher äußert sich Christophe Darbellay, Präsident der bürgerlichen CVP gegenüber dem Tages-Anzeiger. Wenn die "Spione von den deutschen Steuerbehörden das Schweizer Recht verletzt" hätten, müsse der Staatsanwalt tätig werden. Er glaube nicht, dass die Politik die Schweizer Justiz auf irgendeine Art beeinflussen könne.

Im Ring mit Deutschland

Die Neue Zürcher Zeitung weist denn auch darauf hin, dass die Bedingungen des Ankaufs der CD mit den Steuerdaten durch die deutschen Fahnder in Berlin ganz anders dargestellt würden als in Bern. Während die CD nach der deutschen Version "in Düsseldorf von einem Vermittler angeboten und (...) schließlich auch gekauft wurde", gab es "nach dem Schweizer Verständnis (...) über die Konditionen der Übergabe lange Verhandlungen", in denen die deutsche Seite zudem konkrete Informationen erbeten habe. Das Fazit der Zeitung: "Das wäre selbstverständlich ganz anders zu bewerten als das passive Entgegennehmen von Daten, mit deren Sammeln man nichts zu tun hatte".

Wie anders, macht das Blatt auch in einem Kommentar deutlich: "Wenn es zutrifft, dass deutsche Behörden deutsche Steuerfahnder angewiesen haben, die Credit Suisse auszuspionieren, ist das skandalös." Das deutsche Aufbegehren gegen die Haftbefehle wird hier in den Rahmen des "Ringkampf(s) mit Deutschland" um ein Steuerabkommen gestellt, in dem Bern ohnehin schon zahlreiche Zugeständnisse gemacht habe - und in dem die deutsche Opposition nun durch ihre "Rechthaberei" erneut irritiere.

"Doch das Unbehagen, das sich in der Schweiz angesichts der verbalen Kraftmeierei gegen legitime Ermittlungen der Bundesanwaltschaft verdichtet, ist kollektiver Natur. Die gutmütige Helvetia wird abgekanzelt, als klebe das Unrecht an ihren Schuhen", moniert die NZZ.

Die Neue Zürcher und die Basler Zeitung berichten zudem, dass der Ankauf der Steuer-CD nicht nur nach Einschätzung des Schweizer Bundesanwalts, sondern auch nach Einschätzung deutscher Juristen illegal oder zumindest sehr zweifelhaft war.

Dass deutsche Politiker nicht nur die Haftbefehle für die Steuerfahnder verdammen, sondern sogar die besonderen Verdienste der Steuerermittler hervorheben, kommentierte die Boulevardzeitung Blick bereits am Montag: "Was aus Schweizer Sicht strafbar ist, ist aus deutscher Sicht also eine ehrbare Tat."

"Steuerdaten vom Hehlermarkt"

Auch dem Vorwurf, die Schweiz unterstütze deutsche Steuerhinterzieher, tritt man in der Schweiz entgegen. Es ginge nicht an, "dass wir hier die deutschen Steuergesetze vollziehen sollen - bloß weil Deutschland selbst nicht in der Lage ist, diesen bei seinen eigenen Bürgern Nachachtung zu verschaffen", schreibt die Basler Zeitung. Dass es sich bei den Steuerhinterziehern um Reiche handele, zeige nur, "wie brüchig die Legitimität der deutschen Politiker" geworden sei.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft habe "zu Recht" die Haftbefehle gegen drei deutsche Beamten ausgestellt, die sich mutmaßlich nicht um Schweizer Gesetze gekümmert hätten, als sie Steuerdaten auf dem Hehlermarkt erwarben. "Noch sind wir ein eigenes, souveränes Land - und werden es bleiben", betont die Basler Zeitung.

In der öffentlichen Meinung der Eidgenossen scheint also derzeit wenig Verständnis für die Proteste deutscher Politiker zu herrschen. Doch zumindest vom Chef der Schweizer Grünen, Ueli Leuenberger, erhalten die rot-grünen Kritiker aus Deutschland Rückendeckung. "Ohne die Begünstigung von deutschen Steuerflüchtlingen durch die Schweiz und ihre Banken müssten die deutschen Behörden keine Fahnder einsetzen", gibt er im Tages-Anzeiger zu bedenken. Die ganze Angelegenheit halte er daher für "ziemlich unglücklich".

Wie angespannt die Stimmung wegen des Steuerstreits derzeit ist, zeigt auch eine Posse um angebliche Reiseverbote der Credit Suisse. Die Börsen-Zeitung berichtete am Dienstag, dass die Schweizer Großbank ihren Mitarbeitern verboten habe, nach Deutschland zu reisen - wegen des Risikos, bei Kundenbesuchen in die Fänge der deutschen Justiz zu geraten.

Reiseverbot? Nur eine Falschmeldung!

Das Dementi folgte prompt: Wie die NZZ Online meldet, bestreitet die Credit Suisse, dass es wegen der jüngsten Entwicklungen eine Änderung ihrer Politik hinsichtlich der Reisetätigkeit von Bankern nach Deutschland gebe. Die Bank verweise vielmehr darauf, dass sie generell über ein "striktes Reise- und Bewilligungssystem" verfüge, welches bei allen Auslandsreisen von Mitarbeitern angewandt werde.

Doch wie konnte es dann zu der Falschmeldung kommen? Wie die NZZ unter Berufung auf einen Insider schreibt, soll am Samstagabend "fälschlicherweise" eine E-Mail an mehrere grenzüberschreitend tätige Banker geschickt worden sein, in der von einem Reiseverbot die Rede war. Der Versand der E-Mail sei der "Überreaktion einer Einzelperson" geschuldet, ihr Inhalt nicht zutreffend.

Ein Reiseverbot erscheint zudem völlig unnötig, da sich die Credit Suisse - wie das Schweizer Blatt schreibt - im letzten Herbst außergerichtlich mit den deutschen Behörden darauf geeinigt habe, ein Verfahren gegen Bankmitarbeiter wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung einzustellen. Den Schweizer Bankern droht damit in Deutschland keine Strafverfolgung mehr.

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