Die Berliner Rede und Horst Köhler:Roboter am Rednerpult

Lesezeit: 3 min

Wie Bundespräsident Horst Köhler es geschafft hat, eine junge Tradition in drei Anläufen in Grund und Boden zu reden.

Thorsten Denkler, Berlin

Vielleicht war das alles nur ein großes Missverständnis zwischen Horst Köhler und dem Rest der Welt. Zumindest was die Anforderung angeht, dass die Waffe des Bundespräsidenten das Wort sei. Seine Herausfordererin Gesine Schwan hat in diesem Zusammenhang von "kultureller Macht" gesprochen - bei Köhler jedoch handelt es sich wohl eher um ein kulturelles Mächtchen.

Horst Köhler - Bilder seines Lebens. (Foto: Foto: AP)

An diesem Dienstag muss er wieder ran - "Berliner Rede". Diesmal spricht er in der Elisabethkirche über Wirtschaft. Mit Ökonomie, vor allem mit Finanzwirtschaft, kennt er sich aus. Er war Beamter im Finanzministerium, Sparkassenpräsident und Direktor des Internationalen Währungsfonds. Die Nachrichtenagenturen fabulierten in ihren Ankündigungen bereits, das Wort des Bundespräsidenten habe hier Gewicht. Gemach: Die Erfahrungen mit seinen vergangenen Reden haben gezeigt, dass man die Erwartungen besser weit genug hinunterschraubt.

Seit Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1997 die Tradition der "Berliner Rede" begründete, hat jedes Staatsoberhaupt einmal im Jahr die Gelegenheit, Grundsätzliches zur Lage in Deutschland zu sagen. Herzog hat es mit dem vieldebattierten "Ruck" versucht und es bei diesem Rede-Ruck belassen. Erst Johannes Rau machte aus der "Berliner Rede" eine Tradition des Bundespräsidenten; fünf Berliner Reden hat er gehalten. Und immer ging es um Versöhnung, das Lebensthema von Rau.

Was das Lebensthema von Horst Köhler ist, wird sich vermutlich auch nach seiner Hauptstadtrede 2009 nicht offenbaren. So richtig weiß auch nach bald fünf präsidialen Jahren immer noch keiner, was dieser Präsident eigentlich will.

Schon die Orte, die sich Köhler für seine Reden ausgesucht hat, erscheinen in der Nachschau beliebig. Passend war gerade noch, dass er an einer Neuköllner Hauptschule über Bildung sprach. Mehr als eine Zustandsbeschreibung des maroden Bildungssystem vermochte Köhler aber auch dort nicht zu liefern. Ideen, wie es besser werden könnte, hatte er nicht zu bieten.

Das zieht sich durch alle späteren Reden: Köhler versucht, so konkret wie möglich ein Thema zu fassen. Dann vergisst er, dass es nicht seine Aufgabe als Bundespräsident ist, Regierungserklärungen abzugeben. Und wenn er sich dann erinnert, dann endet er meist mit unverbindlichen Sonntagsredenforderungen wie "Bildung für alle", der Überschrift seiner ersten Berliner Rede.

Seine zweite Rede hielt er im "Radialsystem IV", in einem zu einer Veranstaltungshalle umgebauten ehemaligen Pumpwerk. Interessanter Ort, aber mit der Rede hatte er nichts zu tun. Hier war sein Thema die Globalisierung - kurz gesagt. Köhler überschrieb, leicht esoterisch, sein rhetorisches Werk mit: "Das Streben der Menschheit nach Glück verändert die Welt."

Horst Köhlers Karriere
:Vom Sparkassendirektor zum Bundespräsidenten

Der CDU-Politiker galt als spröder Finanzexperte, als er 2004 zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Als Staatsoberhaupt war er beliebt - doch der Respekt der Polit-Elite blieb ihm versagt.

in Bildern.

Köhler kam damals herbe in die Kritik. Zu nichts schien der Mann eine Meinung zu haben. Er umgarnte das Volk mit Belanglosigkeiten. In den Zeitungen wurde über ihn und seine Reden getitelt: "Präsident ohne Wiederhall", "Wohlfühl-Präsident" oder auch "Lauwarmes Gesprudel".

Horst Köhlers Karriere
:Vom Sparkassendirektor zum Bundespräsidenten

Der CDU-Politiker galt als spröder Finanzexperte, als er 2004 zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Als Staatsoberhaupt war er beliebt - doch der Respekt der Polit-Elite blieb ihm versagt.

in Bildern.

Diese zweite Berliner Rede hätte ein Befreiungsschlag werden können - doch sie offenbarte ein Maß an politischer Naivität, das ihm auch ärgste Gegner nicht zugetraut hätten.

Affront gegen Köhler

Köhlers Lösung für die Probleme der Globalisierung klang so: "Es ist wirklich vernünftiger, freundlich zu sein"; nur dann bliebe die Erde "ein wohnlicher Stern". Außerdem dürfe nicht übersehen werden, "dass wir Fair Play brauchen statt Gemeinheit, Brot und Bücher statt Aufrüstung, Respekt statt Überheblichkeit". Wie schön.

Im vergangenen Jahr dann seine Rede zu "Arbeit, Bildung, Integration". Ort war diesmal das Schloss Bellevue, sein Amtssitz. Der Saal bietet kaum mehr als zweihundert Menschen Platz. Und selbst hier waren nicht alle Plätze besetzt. Politische Prominenz ist gerade in dem Umfang anwesend, dass es nicht als Peinlichkeit ausgelegt werden kann. Die Berliner Rede - sie war im Grunde schon tot, bevor Köhler ans Mikrofon trat.

Dabei wäre er auch an diesem Sommertag 2008 aufgefordert gewesen, mehr zu zeigen. Die SPD hatte ihm gerade eine Gegenkandidatin gegenübergestellt, ein Affront gegen seine Person. Ein Bundespräsident, der eine zweite Amtszeit für sich beansprucht, hat sie bisher auch anstandslos bekommen. Köhler muss darum kämpfen. Er nahm den Kampf nicht an.

Teleprompter sei Dank

Er begann seine Rede damit, dass die Zeit der Abi-Feten gerade begonnen habe. Daraus leitete er mehr holpernd als kunstvoll ab: "Von heute an, wann immer Sie das Wort 'ABI' hören oder lesen, denken Sie bitte nicht allein an Schulabschlüsse, denken Sie auch an drei Ziele für Deutschland: Arbeit, Bildung, Integration." Hätte ein Redenschreiber ihm so eine Einleitung aufgeschrieben, er gehörte umgehend gefeuert.

Köhler las wie immer ab, dem Teleprompter sei Dank. Er muss dafür nicht nach unten aufs Manuskript schauen. Dafür hat der ständige Blick nach rechts und links auf die Teleprompter etwas Roboterhaftes. Spricht da noch Mensch Köhler, oder ist es nur ein Abbild des Präsidenten?

Alle hatten etwas abbekommen in dieser Rede, Lob und Tadel. Die Parteien, die Verbände, die Wirtschaft. Es ging so hin und her, dass am Ende alle Beifall spenden konnten, weil niemand sich angegriffen fühlte. Was Köhler nicht versteht: Wer mit einer wichtigen Rede von allen Seiten wohlwollenden Applaus erntet, der hat etwas sehr falsch gemacht.

Die Berliner Rede in der Elisabethkirche ist die letzte in seiner ersten Amtszeit. Nach Adam Riese wird er am 23. Mai seine zweite Amtzeit bekommen. Es wäre gut, wenn er nach der Wiederwahl eine Erklärung abgibt, warum Deutschland ihn als Präsidenten braucht. Bisher hat er das versäumt.

© sueddeutsche.de/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: