Devisenbeschaffung:Die Trickser von nebenan

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Die Firma ordnungsgemäß gemeldet, die Verträge gerichtsfest: Wie sich eine nordkoreanische Firma in Deutschland getarnt hat.

Von Christoph Giesen

Die wahrscheinlich lukrativste Geschäftseinheit Nordkoreas operierte bis vor zwei Jahren versteckt in einem Wohngebiet im Hamburger Osten: die Korea National Insurance Cooperation (Knic), die deutsche Zweigniederlassung der nordkoreanischen Staatsversicherung, ordnungsgemäß eingetragen im Handelsregister. Als Geschäftszweck hatte man die "Pflege der Kontakte zu Rückversicherern" angegeben. Alles ganz bieder. Und doch, so sind die deutschen Behörden überzeugt, wurde hier jahrelang systematischer Versicherungsbetrug geplant und begangen. Im Auftrag Pjöngjangs.

Im Sommer 2015 setzte der Europäische Rat Knic auf die Sanktionsliste. Der Vorwurf: Finanzierung des Atomwaffenprogramms. In Hamburg wurden unterdessen Schredder angeschafft und Unterlagen in die nordkoreanische Botschaft in Berlin gebracht. Gegen zwei der fünf Hamburger Knic-Mitarbeiter wurde wegen Geldwäsche ermittelt - allerdings erfolglos.

Wie das System Knic funktionierte, berichtete den Ermittlern ein nordkoreanischer Funktionär, der sich in Singapur abgesetzt hatte. Um an Devisen zu kommen, seien im großen Stil Rückversicherungsverträge für echte oder vermeintliche Versicherungsschäden in Nordkorea abgeschlossen worden. Dabei sei vor allem auf die Ahnungslosigkeit vieler Broker gesetzt worden, die schlicht Nord- und Südkorea nicht auseinanderhalten konnten. Mit den Schadensmeldungen reichte Knic dann Urteile nordkoreanischer Gerichte ein. Schließlich hatten die Rückversicherer Pjöngjang als Gerichtsstand akzeptiert. Auch die deutsche Allianz-Versicherung.

Auch die Allianz hatte einen Vertrag mit Nordkorea - und wurde viel Geld los

Durch eine Firmenübernahme hatte der Münchner Konzern einen Knic-Vertrag geerbt. Als 2005 in Nordkorea ein Helikopter abstürzte, sollte die Allianz gemeinsam mit zwei weiteren Rückversicherern zahlen. Wie üblich lag in Windeseile ein Urteil aus Nordkorea vor. Doch es gab ein zweites Problem: Die Schadenssumme war plötzlich weit höher als angenommen. Die Broker hatten beim Vertragsabschluss doppelt geschlafen und eingewilligt, den Schaden in nordkoreanischen Won zu begleichen. Laut offiziellem Kurs entsprach damals ein Euro 160 Won. Der echte Kurs, der täglich auf dem Schwarzmarkt bestimmt wird und die tatsächlichen Preise abbildet, lag 2005 jedoch fast dreizehn Mal höher. Für einen Euro bekam man damals 2000 Won. Eigentlich hätte der vermeintliche Helikoptercrash das Konsortium 3,5 Millionen Euro gekostet, doch durch den Wechselkursunterschied sollten die drei Versicherer mehr als 40 Millionen Euro überweisen. Dagegen klagte die Allianz 2008 in London - und verlor. Vertrag ist Vertrag.

Seit diesem Urteil stand Knic auf etlichen schwarzen Listen der Branche. Offenbar aber nicht auf allen. In London, wo die Nordkoreaner ebenfalls ein Büro in einer eher ruhigen Wohngegend unterhielten, soll die staatliche Versicherung noch 2014 fast 70 Millionen Pfund erwirtschaftet haben. Mehr als die Hälfte des Geldes wurde offenbar nach Pjöngjang gebracht.

Gegen die EU-Sanktionen wehrt sich Knic seit 2015 juristisch. Londoner Anwälte haben im Auftrag Pjöngjangs eine Klage beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht. Nordkorea gegen die EU. Das Urteil wird in den kommenden Monaten erwartet.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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