Deutschland:"Setzen Sie Zeichen"

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Deutsche Politiker appellieren, andere provozieren scharfe Kritik - und in Nauen brennt eine Sporthalle, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Die Nachrichten des Tages im Überblick.

Debatte um eine Bannmeile

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat den Vorschlag der Deutschen Polizeigewerkschaft zurückgewiesen, überall in Deutschland Schutzzonen für Asyl-Unterkünfte einzurichten. Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach bezeichnete Bannmeilen am Dienstag nur als "Notlösung". Maas sagte im ARD-Morgenmagazin: "Ich will nicht in einem Land leben, in dem per se jedes Flüchtlingsheim eine Bannmeile braucht, damit sich die Leute, die im Heim sind, auch sicher fühlen." Dort, wo die Einrichtung solcher Schutzzonen wie im sächsischen Heidenau nötig sei, werde das geschehen. Maas rief zugleich die Bevölkerung auf, Gesicht zu zeigen und "die Straße nicht den Hetzern und Rechtsextremen zu überlassen". Er kritisierte die Mitläufer: Dass schlecht informiert worden sei über Flüchtlinge, sei keine Rechtfertigung dafür, "dass man Neonazis und Rechtsextremisten nachläuft", sagte er. "Diese rechten Schläger, die es da gibt, die gehören nicht auf die Straße, die gehören vor Gericht."

Hassmails an Sigmar Gabriel

Nach dem Besuch von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau sieht sich die SPD-Zentrale mit einer Masse an rassistischen Pöbeleien konfrontiert. Seit Gabriels Besuch habe "der rechtsradikale Mob das Willy-Brandt-Haus mit menschenverachtenden Anrufen, E-Mails und Kommentaren überschwemmt", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. "Mitarbeiter, Politiker und die SPD wurden beschimpft, beleidigt und bedroht, Hass und Hetze über Flüchtlinge ausgegossen." Die fremdenfeindlichen Äußerungen hätten mittlerweile dramatische Ausmaße angenommen. Nach einer Bombendrohung musste das Willy-Brandt-Haus am Nachmittag geräumt werden.

Die Polizei gab nach einiger Zeit Entwarnung, sie stufte die Drohung als "nicht ernsthaft" ein.

Notunterkunft in Nauen ausgebrannt

In der Stadt Nauen in Brandenburg ist am frühen Dienstagmorgen eine Sporthalle komplett ausgebrannt, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollten. "Es handelt sich vermutlich um vorsätzliche Brandstiftung", sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). In der Sporthalle eines Oberstufenzentrums sollten in wenigen Tagen die ersten Flüchtlinge einziehen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte die Brandenburger zu einem Aufstand der Anständigen auf. "Setzen Sie Zeichen der Mitmenschlichkeit. Distanzieren Sie sich vom fremdenfeindlichen Mob", sagte er. "Ob Ausländerhetze und tätliche Angriffe auf Menschen in Not in Heidenau oder die Verhinderung des Einzugs von Flüchtlingen in Nauen per Brandstiftung, derartige Aktionen sind beschämend und Deutschlands unwürdig." In Nauen hatte es bereits Demos gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gegeben. Im Februar war eine Stadtverordnetenversammlung von rechtsextremen Demonstranten gestört worden. Die Sitzung musste abgebrochen werden.

Am Dienstagabend versammelten sich 300 Bürger in Nauen zu einer Mahnwache gegen Fremdenfeindlichkeit. Empörung löste der brandenburgische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, mit einer Erklärung zu dem Brand aus, in der er die Regierungspolitik für die Eskalation verantwortlich machte. Gauland verurteilte die Tat zunächst "auf das Schärfste". Es sei auf keinen Fall hinzunehmen, dass Unterkünfte für Asylbewerber angegriffen werden. "Die Verantwortung für solche Taten haben die gesamte Gesellschaft und in erster Linie die Politiker der Altparteien, die zur jetzigen Eskalation der Flüchtlingsproblematik beigetragen haben", sagte er weiter. "Eine zügige Bearbeitung der Asylanträge und eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber hätten schon frühzeitig die Situation in Brandenburg und auch in Nauen entspannt. Wären die Bürger einbezogen worden und hätten sie das Gefühl, dass nicht nur sie und die Kommunen gefordert werden, sondern auch die Politik auf Bundes- und Landesebene alles tut, um der Situation Herr zu werden, ließen sich Reaktionen wie jetzt in Nauen sicherlich verhindern." Brandenburgs SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz nannte Gaulands Äußerungen "abscheulich". "Er rechtfertigt den fremdenfeindlichen Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft und schiebt die Verantwortung von den Tätern auf diejenigen, die Kriegsflüchtlingen helfen und sie willkommen heißen wollen", sagte Geywitz.

Verdächtige in Rostock festgenommen Elf Monate nach einem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft hat die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern zwei mutmaßliche Täter festgenommen. Das Amtsgericht Rostock habe wegen des Verdachts des versuchten Mordes Untersuchungshaft gegen die beiden 25 und 26 Jahre alten Männer aus der Region angeordnet, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Die beiden Männer sollen im Oktober 2014 in Groß Lüsewitz im Landkreis Rostock zwei mit Benzin gefüllte Bierflaschen gegen die Fassade des mehrgeschossigen Wohnhauses geschleudert haben, in dem Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern untergebracht sind. Menschen kamen nicht zu Schaden.

© SZ vom 26.08.2015 / dpa, jsc, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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