Deutsche Wirtschaft:Hoffen auf die Unberechenbarkeit

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SZ-Grafik; Quelle: Statista (Foto: N/A)

Für deutsche Unternehmen steht nach dem Wahlsieg von Donald Trump viel auf dem Spiel. Amerika ist ihr größter Handelspartner.

Von Alexander Hagelüken, München

Das BMW-Werk in Dingolfing war lange Jahre die größte Fabrik des Autobauers. In Niederbayern fertigen fast 20 000 Mitarbeiter Wagen der 3er- bis 7er-Reihe. Seit 2015 reicht das nicht mehr für den Spitzenplatz im BMW-Reich. Noch mehr Autos rollen nun in Spartanburg, South Carolina, vom Band. Das größte Werk des Konzerns steht inzwischen in dem Land, das gerade Donald Trump zum Präsidenten gewählt hat. "Wir respektieren das Primat des amerikanischen Wählers", erklärt BMW am Mittwoch so typisch vorsichtig, wie sich Unternehmen meist zu politischen Fragen äußern.

Jenseits offizieller Vorsicht sind deutsche Manager tief besorgt darüber, was der Sieg des krachigen Außenseiters bedeuten könnte. Trump hat im Wahlkampf unter anderem angekündigt, Importe stark zu erschweren, die er für Entlassungen und stagnierende Löhne amerikanischer Arbeiter verantwortlich macht. "Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß", warnt Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts. "In Deutschland hängen 1,5 Millionen Arbeitsplätze vom US-Geschäft ab." Deutschlands größter Handelspartner war sechs Jahrzehnte lang Frankreich. Doch Frankreich erging es wie Dingolfing: Seit 2015 liefern deutsche Firmen die meisten Waren nicht mehr an das Nachbarland - sondern an die Vereinigten Staaten. Es geht um Exporte von 114 Milliarden Euro. Weil so viel auf dem Spiel steht, überrascht es nicht, dass mehrere Wirtschaftsvertreter am Mittwoch die übliche Vorsicht in politischen Fragen fahren ließen. Trumps Sieg sei "ein Black Tuesday für den Welthandel", sagt Lutz Goebel vom Verband der Familienunternehmer. "Eine populistische Politik, die Ängste von Menschen verstärkt, bietet nur Scheinlösungen", kritisiert Industriepräsident Ulrich Grillo. "Donald Trump hat sich im Wahlkampf äußerst skeptisch gegenüber Freihandel geäußert. Die USA müssen weiter auf offene Märkte setzen. Alles andere wäre Gift für die US-Wirtschaft."

Besonders misslich: Im Geschäft mit den USA lief es für deutsche Firmen gerade besonders gut. Während die Exporte in alle Welt seit 2010 um enorme 25 Prozent zunahmen, stiegen die Lieferungen an die USA gleich um 73 Prozent. Diese Verkäufe bestehen zu drei Vierteln aus Fahrzeugen, Maschinen, Pharma, Elektro- und Medizintechnik. Außerdem sind die beiden Volkswirtschaften eng verflochten. 5000 deutsche Firmen sind in den USA vertreten, sie beschäftigen dort mehr als 600 000 Mitarbeiter. Umgekehrt sind es genauso viele.

Angesichts der Unberechenbarkeit Donald Trumps schwankt die deutsche Wirtschaft zwischen Bangen und der Hoffnung, dass es nicht so schlimm kommt, wie der Wahlkampf fürchten lässt. "Wir können nur hoffen, dass Trump seinen Worten keine entsprechenden Taten folgen lässt", heißt es beim Verband der Maschinenbauer. Doch schon die Ungewissheit ist ein wirtschaftliches Problem. Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks könnten Investitionen aufschieben. Das kostet Wachstum und Arbeitsplätze. Jeder sechste Euro deutscher Direktinvestitionen im Ausland entfällt auf die USA.

Negativ wirken auch Turbulenzen an den Finanzmärkten. Wenn Trumps Auftreten oder eine massive Verschuldung für Wahlversprechen den Dollar sinken lassen, erschwert das deutsche Exporte. Ifo-Präsident Fuest erwartet, dass Trump bestehende Handelsverträge kaum kippen werde, da er dazu den Kongress brauche. Doch für neue Abkommen wie das umstrittene TTIP werde es schwierig. "Der Präsident wird TTIP wohl einstellen", glaubt der Chef der Allianz, Oliver Bäte. Auffällig optimistisch gibt sich dagegen Marcel Fratzscher, Präsident des DIW-Instituts. Er setzt auf eine Entzauberung des Populisten: "Trump wird seine Wahlversprechen, aus der Welthandelsorganisation auszutreten und den Freihandel mit Europa zu beenden, nicht umsetzen können."

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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