Deutsche Entführungsopfer und der Staat:Geld oder Leben

Obwohl die Bundesregierung stets dementiert hat: Von der Sahara bis zu den Philippinen füllten kriminelle Banden ihre Taschen mit dem Geld für deutsche Entführungsopfer. Darf sich der Staat erpressen lassen?

Stefan Kornelius

Es sind die einfachen Fragen, die so schwer zu beantworten sind: Darf sich ein Staat erpressen lassen, wenn er das Leben eines Bürgers retten kann?

Die Entführer der beiden im Irak verschleppten deutschen Ingenieure Rene Bräunlich (vorne links) und Thomas Nitzschke im Januar 2006 (Foto: Foto: dpa)

In Zeiten des RAF-Terrorismus war die Antwort simpel: Nein darf er nicht, zumal der Preis unbezahlbar hoch gewesen wäre.

Die Terroristen forderten die Freilassung von Gesinnungsgenossen - und von der Politik, dass sie das eigene Rechtssystem verhöhnen sollte.

Mit wachsender Distanz und sinkendem Preis scheint sich aber die Geschäftsgrundlage zu ändern. Italien übte so lange Druck auf die afghanische Regierung aus, bis Geiseln im Austausch gegen Taliban-Gefangene freigelassen wurden.

Die bulgarischen Krankenschwester verließen ihr libysches Gefängnis im Austausch für Waffen.

Und obwohl die Bundesregierung dies dementiert: Von der Sahara bis zu den Philippinen füllten kriminelle Banden ihre Taschen mit dem Geld für deutsche Entführungsopfer.

Es floss über Stiftungen, Mittelsmänner oder in Form von Entwicklungshilfe. Ein Verbindung zur Bundesregierung konnte nie bewiesen werden, und ein Verhandlungsmarathon erweckte den Anschein, dass der Staat nicht erpressbar war.

Für die einfache Frage gibt es also keine einfache Antwort. Es bleiben nur ein paar Erkenntnisse: Je mehr über Freikauf geredet wird, desto erpressbarer wird der Staat und desto größer die Gefahr von Nachahmern.

Und so unbefriedigend dies sein mag für eine von Transparenz lebenden Demokratie - in der Grauzone zwischen krimineller und politischer Erpressung muss den Akteuren ein Spielraum für stille Diplomatie zugebilligt werden, damit am Ende vielleicht beides gelingt: politisch nicht erpressbar zu sein und Leben zu retten.

© SZ vom 6.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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