Franziskus in Afrika:Leiden und Lächeln

Lesezeit: 3 min

In Afrika fordert der Papst Gerechtigkeit und Barmherzigwerden statt Korruption und immer wachsender Ungleichheit. Am Ende bleibt das Imagepflege für die katholische Kirche.

Von Tobias Zick

Es war ein geradezu exotischer Auftritt. Vom Flughafen in die Innenstadt von Nairobi fuhr Papst Franziskus in einem japanischen Kompaktwagen. Kenias Regierungselite benutzt auf derselben Strecke grundsätzlich protzige Limousinen. Und die Leuten von den internationalen Armutsbekämpfungs-Organisationen, die in Nairobi eine Heimat gefunden haben, kommen meist in schweren Geländewagen mit Allradantrieb daher.

Drei Viertel des Reichtums in Kenia konzentrieren sich in den Händen von einem Prozent der Bevölkerung. Ein Papst, der als Fürsprecher der Armen auftritt, erreicht dort also theoretisch 99 Prozent der Menschen. Das eine Prozent der Reichen und Mächtigen tut also, wenn es reich und mächtig bleiben will, gut daran, sich tanzend, lächelnd und Oblaten kauend an der Seite dieses Papstes zu präsentieren.

Der Papst enttäuschte die Hoffnungen vieler Kenianer nicht: Beim Besuch in einem Armenviertel wetterte Franziskus gegen jene "Minderheiten, die sich an Macht und Reichtum klammern, die egoistisch Geld verprassen, während eine wachsende Mehrheit gezwungen ist, in vernachlässigte, dreckige, heruntergekommene Randgebiete zu fliehen". Zuvor hatte er Präsident Uhuru Kenyatta persönlich gemahnt, "mit Redlichkeit und Transparenz für das Gemeinwohl zu arbeiten".

Franziskus in Afrika
:Riesenfreude in Bangui über Papst-Besuch

Papst Franziskus läutet in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik die gefährlichste Etappe seiner Afrika-Reise ein.

Der Präsident bittet den Papst zu beten

Für Kenyatta war die Begegnung eine Gratwanderung, die er - wie so oft - mit Bravour bewältigte. Er bestritt gar nicht erst, dass in Kenia unter seiner Führung die Plünderung öffentlicher Kassen außer Kontrolle geraten ist, dass Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen wachsen und dass die wirtschaftliche Lage für die Mehrheit noch schwieriger wird. Stattdessen bat er den Papst, für Kenia zu beten. Derart dreist von der eigenen, irdischen Verantwortung für die Zustände abzulenken, das muss man sich erst einmal trauen.

Aber Kenyatta bediente sich eines gängigen Musters der afrikanischen Politik. Glaube und Religion sind in vielen Ländern ein machtpolitisches Instrument - nicht etwa nur bei islamischen Fundamentalisten in Somalia, Nigeria oder im Sudan, sondern auch in mehrheitlich christlichen Regionen. Auf diesem Kontinent, so viel Verallgemeinerung sei gewagt, ist die Bereitschaft zu glauben im Durchschnitt ziemlich hoch.

Geglaubt wird an vielerlei: an Fetische, an die Wirkung von Tieropfern, an heilige Berge, an Wunderheiler, an einen christlichen oder einen muslimischen Gott, und oft auch an vieles davon zugleich. Wer seine Macht sichern will, sollte den Glauben möglichst vieler Menschen ansprechen.

Shuffering and Shmiling

Kaum jemand hat dieses Prinzip so auf den Punkt gebracht wie der nigerianische Musiker Fela Kuti in seinem legendären Lied "Shuffering and Shmiling". Leiden und Lächeln - eine Hymne auf die unendliche Geduld der Menschen, alles Elend, das ihnen die eigenen Eliten aufbürden, mit gequältem Lächeln zu ertragen, weil es später im Himmel schon aufwärtsgehen wird. Diese Lebenshaltung ist Resultat der Arbeit von Priestern und Imamen, die sich zu Komplizen der egoistischen Eliten machen, indem sie Tränen der Wut in ein Lächeln der Zuversicht verwandeln.

Uhuru Kenyatta, der sich wählen ließ, während der Internationale Strafgerichtshof gegen ihn als einen der mutmaßlichen Anstifter ethnischer Gewalt ermittelte, sparte zu keinem Zeitpunkt an öffentlichen Gebetsauftritten, im Wahlkampf ebenso wie nach der gewonnenen Wahl: "Viele haben nicht erwartet, dass wir so weit kommen würden", verkündete er damals an der Seite des deutschen evangelikalen Predigers Reinhard Bonnke vor Zehntausenden in einem Park von Nairobi: "Aber Gott ist wissender als wir Menschen." Im Anschluss traten vor den jubelnden Massen Blinde auf, die wieder sehen konnten, und eine Frau, die angeblich plötzlich vom Aids-Erreger befreit war.

In Uganda, der zweiten Station der Papstreise, hält sich Präsident Yoweri Museveni seit nunmehr fast 30 Jahren an der Macht, auch dank der massiven Unterstützung durch radikale Evangelikale, die gegen Homosexuelle hetzen und so von den tatsächlichen Nöten des Landes ablenken.

Vom reaktionären Getöse vieler Pfingst- und Freikirchler hebt sich die katholische Kirche in Afrika freilich vielerorts wohltuend ab. In Nigeria etwa hat sie oft vermittelnd und friedensstiftend eingegriffen, wo Christen und Muslime von Brandstiftern auf beiden Seiten aufgehetzt worden waren. Doch immun gegen den Missbrauch zu Machtzwecken ist auch sie nicht, wie das Extrembeispiel Ruanda beweist: Dort wurden viele der Opfer des Völkermordes 1994 von ihren Priestern nicht beschützt, sondern ihren Schlächtern ausgeliefert.

Die katholische Kirche ist in Afrika auch deshalb so stark, weil sie vielerorts viel mehr ist als eine Glaubensgemeinschaft. Sie übernimmt Aufgaben, die der Staat nicht erfüllt (was wiederum den politischen Eliten nützt, deren Versagen sie kompensiert); sie betreibt Krankenhäuser, Schulen und Waisenheime, sie lindert Hunger, und sie stiftet Zugehörigkeit.

Geld oder Gerechtigkeit - was gewinnt?

Dennoch ist der Besuch des Papstes in Afrika nicht zuletzt eine wichtige, imagefördernde Maßnahme für die katholische Kirche, die auf dem Kontinent mit seinem rasanten Bevölkerungswachstum unweigerlich wächst, und zwar stärker als auf jedem anderen Erdteil. Heute sind unter den rund 1,2 Milliarden Katholiken der Welt etwa 14 Prozent Afrikaner; im Jahr 2050 könnten es Schätzungen zufolge bis zu 30 Prozent sein. Doch der Zustrom neuer Anhänger ist kein Selbstläufer; die katholische Kirche befindet sich in einem Wettlauf um die Seelen, nicht nur mit einem ambitionierten Islam, sondern auch mit Anglikanern und allerlei Pfingst- und Freikirchlern, die mit Spontanheilungen und sonstigen Wundern die Konkurrenz ausstechen.

Der Auftritt dieses glaubwürdig um die Armen besorgten Papstes wird der katholischen Kirche in Afrika helfen. Franziskus' Appelle für Gerechtigkeit und Barmherzigwerden nachhallen. Doch werden sie nachhaltig wirken? Gegen die Worte des Papstes stehen die Interessen des großen Geldes. Welche Kräfte sich am Ende durchsetzen, dafür gibt es in der Geschichte auch dieses Kontinents genug Beispiele.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: