Der Deutsche Herbst (Tag 8):"Ich bin nicht bereit, lautlos aus diesem Leben zu treten"

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Die Entführer übermitteln eine Woche nach dem Attentat auf Hanns Martin Schleyer ihr viertes Ultimatum. Auf einem Tonband wendet sich Schleyer direkt an die Opposition und an seinen Freund Helmut Kohl.

Robert Probst

Das Ultimatum wird in einem Düsseldorfer Hotel hinterlegt. Bis 24 Uhr soll die Regierung "erkennbare vorbereitungen" für den Austausch der RAF-Häftlinge treffen: "falls die bundesregierung auch dieses ultimatum schweigend übergehen will, hat sie die konsequenzen zu tragen."

Auf einer Tonbandaufnahme wendet sich der entführte Arbeitgeber-Präsident Schleyer an Helmut Kohl. (Archivaufnahme Kohls aus dem Jahr 1977). (Foto: Foto: dpa)

Dazu wird ein Tonband geliefert, das Schleyer besprochen hat. In einem anderen Hotel wird ein weiteres Paket entdeckt. Auf Tonband wendet sich Schleyer an seinen Freund Helmut Kohl: "Ich habe nie um mein Leben gewinselt, immer die Entscheidungen der Bundesregierung (...) anerkannt. Was sich aber seit Tagen abspielt, ist Menschenquälerei ohne Sinn. (...) Ich bin nicht bereit, lautlos aus diesem Leben abzutreten."

Es sei nun Aufgabe der Opposition, "die Verantwortlichkeiten klarzustellen und offen zu legen". Auf Anweisung der Entführer attackiert Schleyer vor allem den "hochgejubelten" BKA-Präsidenten Horst Herold.

Kohl lässt sich nicht von der Linie des Krisenstabes abbringen, allerdings fordern Präsidium und Vorstand der CSU, der Staat müsse in dieser Auseinandersetzung nun endlich wieder "aus der Verteidigung in die Offensive" übergehen. Für manche Entwicklung, die gegen den Willen der Opposition durchgesetzt wurde, müsse die rot-gelbe Koalition allein die Verantwortung übernehmen. Die FDP nennt die Haltung der CSU "erbärmlich".

Unter der Überschrift "Laßt meinen Mann leben. Tauscht ihn aus!" richtet Waltrude Schleyer in der Bild-Zeitung einen weiteren Appell an die Bundesregierung: "Jetzt verlangt meiner Überzeugung nach das Schicksal der unmittelbar Betroffenen und die Selbstachtung unseres Staates eine klare Entscheidung der Verantwortlichen zu den gestellten Forderungen."

Am Abend teilt das BKA über Anwalt Payot den Entführern mit, dass es "Vorbereitungen" für den Austausch einleiten werde. Dazu sollen die Gefangenen einzeln befragt werden, in welches Land sie ausgeflogen werden wollen. Die Entführer hatten keine Ziele genannt, sondern selbst auf die Wünsche der Häftlinge verwiesen. Das Ultimatum verstreicht.

© SZ vom 12.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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In der Nacht auf den 18.10.1977 begehen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim die drei RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jean-Carl Raspe Selbstmord. Auf die Todesnacht von Stammheim folgt die Ermordung von Hanns Martin Schleyer. Der Deutsche Herbst ist auf seinem Höhepunkt angelangt. Eine Chronik in Bildern.

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