Der deutsche Herbst (7):67 Prozent wollen die Todesstrafe

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Deutschland diskutiert über die eskalierende Gewalt der RAF. Auch die Todesstrafe und die Einschränkung von Freiheitsrechten sind im Gespräch.

Robert Probst

Waltrude Schleyer, Ehefrau des entführten Arbeitgeberpräsidenten, gibt eine schriftliche Erklärung ab, die in Bild am Sonntag veröffentlicht wird: "Meine ganze Sorge gilt meinem Mann und meiner Familie. Ich bin tief beeindruckt von der Anteilnahme, die mir und meiner Familie aus allen Schichten der Bevölkerung zuteil wird. (...). Ich hoffe inbrünstig mit meinen Kindern, daß alles gut ausgeht und mein Mann bald wieder bei uns sein kann. Mein Mitgefühl gilt aber auch den Angehörigen der Männer, die meinen Mann begleitet haben und dabei ihr Leben lassen mußten. Ihnen fühle ich mich besonders verbunden."

Hunderttausende von Fahndungsplakaten werden verteilt. (Foto: Foto: AP)

Die Welt am Sonntag veröffentlicht eine Emnid-Umfrage: Demnach ist nach der Schleyer-Entführung die Zahl der Befürworter der Todesstrafe in Deutschland sprunghaft auf 67 Prozent angewachsen. 37 Prozent der Befragten plädieren dafür, auf die Forderungen der Entführer einzugehen, 60 Prozent lehnen dies ab.

Über den Anwalt Payot lässt die Bundesregierung den Terroristen mitteilen, dass sie weitere Erläuterungen für das jüngste Ultimatum zur Freilassung der elf RAF-Häftlinge benötige: "Ohne Kenntnis von Flugziel und Flugweg und der tatsächlichen Gewährung von Überflug- und Landerechten wäre eine Besatzung für diese womöglich lebensgefährliche Aufgabe nicht zu finden."

Zudem will man ein weiteres, klares Lebenszeichen von Schleyer und eine Aussage, wie sich die Entführer die Freilassung des 62-Jährigen vorstellen. Das Ultimatum lässt die Regierung erneut verstreichen.

Landauf, landab diskutieren Politiker, Juristen und Wissenschaftler über die immer weiter eskalierende Gewalt der RAF. So warnt der Verfassungsrichter und Präsident des Evangelischen Kirchentags, Helmut Simon, im Südwestfunk vor hysterischem Verhalten: "Die Herausforderung durch die Terroristen muß uns innerhalb unserer gesamten Gesellschaft das Bewußtsein geben, was für eine Wohltat wir an diesem Staat haben. Es ist unser Staat und den wollen wir uns nicht nehmen lassen, weder durch Terroristen noch durch Überreaktionen auf deren Verhalten."

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Herbert Wehner, wendet sich gegen den Begriff "Staatskrise". Zwar gebe es eine "Summe von Gefahren", aber vor allem gehe es darum, der Öffentlichkeit klarzumachen, "daß Terror nichts mit Politik zu tun hat". Der Münchner Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer regt dagegen im ZDF aufgrund der "extremen Herausforderung" die Einführung eines Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus an - notfalls auch mit eingeschränkten Freiheitsrechten.

An den Landesgrenzen der Bundesrepublik kommt es wegen intensiver Personenkontrollen das gesamte Wochenende über zu zahllosen, teils stundenlangen Staus. Aufgrund der Nachrichtensperre im Bezug auf die Terrorfahndung werden die Staus nicht im Verkehrsfunk gemeldet.

© SZ vom 11.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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