China:Führung und Verführung

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Präsident Xi setzt darauf, alle Macht bei der Partei und bei sich selbst zu bündeln. Die Freiheiten aus der Deng-Ära werden wieder rückgängig gemacht. Dieser Kurs kann gefährlich werden. Blinder Gehorsam hat dem Land schon einmal Unglück gebracht.

Von Kai Strittmatter

Xi Jinping ist der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, der Staatspräsident Chinas und der Vorsitzende der Zentralen Militärkommission. Soeben tagte die Führungsspitze der Partei, jetzt hat die Propaganda Xi Jinping noch einen Titel verliehen: Er darf sich auch noch "Kern" der Führung nennen. Macht das einen Unterschied? Es war Deng Xiaoping, der den Titel einst erfand und - posthum - Mao Zedong und sich selbst verlieh. Der Titel ist wie das Zepter am Hof der KP: Er ist symbolisch, aber wer ihn trägt, so die Theorie, der bündelt alle Autorität in seiner Person.

Unter Xi ist China sehr anders geworden. Dengs Reform- und Öffnungspolitik hatte dem Land als Lehre aus dem Desaster von Maos Politik Regeln verordnet, die knapp 30 Jahre galten - Xi bricht mit vielen von ihnen. Wo Deng außenpolitische Zurückhaltung predigte, setzt Xi Chinas Macht offensiv ein. Wo China jahrzehntelang begierig neue Ideen aus aller Welt aufsaugte, errichtet Xi neue Bollwerke von Zensur und Ideologie. An die Stelle lokalen Experimentierens und kollektiver Führung setzt Xi die größtmögliche Zentralisierung der Macht.

Manche nennen Xi Chinas mächtigsten Führer seit Mao, aber wie misst man solche Macht? Am Aufbau eigener Netzwerke? Da werden die kommenden Monate zeigen, ob es Xi gelingt, beim nächsten Durchschütteln des Politbüros im Jahr 2017 seine Leute in Position zu bringen. Das Ausschalten von Rivalen gelang Xi in den vergangenen Jahren erstaunlich gut, auch wenn es in der Partei noch vielerorts Vorbehalte gegen seine Ziele und Kampagnen gibt. Aber wie sieht es aus bei der Lösung der Probleme von Partei und Land? Da hat Xi weit weniger vorzuweisen: Ob es nun um die Wirtschaftsflaute oder Immobilienblase geht - im Land passiert oft das Gegenteil von dem, was Xi in Peking verspricht. Passiver Widerstand durch lokale Eliten führt zu Lähmungserscheinungen im Apparat. Und als die Führung beim Börsencrash 2015 hilf- und planlos agierte, war auch im Land so mancher versucht, den Kaiser nackt zu nennen.

Präsident Xi setzt auf die Konzentration der Macht - das kann gefährlich werden

Die wichtigere Frage aber ist: Ist ein alleinmächtiger Führer die Lösung für Chinas Probleme? Xis Ziele sind widersprüchlich. Er möchte die Wirtschaft beleben, Innovation fördern, China groß machen - und das mit einer Partei, die Marx wieder auf den Altar stellt und Experimente und abweichende Meinungen unterdrückt. Chinas Führung hat Angst vor einem Schicksal wie dem der Sowjetunion. Xi möchte der Anti-Gorbatschow sein, der Mann, der die Herrschaft der Partei rettet.

Die Gefahr bei Allzu-Mächtigen ist aber, dass sie ihre Stärke als Tugend und Ziel an sich begreifen. Das Parteiblatt Volkszeitung schwärmte gerade von der Ära Mao Zedongs, als allein "der 'dida dida'-Tonfall seiner Stimme im Radio genügte, dass alle Kader bedingungslos gehorchten". Das Geheimnis der Macht der KP sei es auch heute, so die Zeitung, dass sie es schaffe, "den Willen der Partei zum Willen des Staates werden zu lassen - und wenn es sich auch nur um das einfache Geräusch 'dida dida' handelt". Man kann nur hoffen, dass das nicht die Haltung der Parteiführung widerspiegelt, sonst müsste man um China bangen. Denn genau das, der blinde Gehorsam jedem Räusperer Maos gegenüber, hat China einst in Chaos und Verderben gestürzt. Deng und seine Nachfolger wussten das.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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