China:Einkaufszettel-Wirtschaft

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Chinas Wirtschaft soll grüner und innovativer, die Qualität der Produkte gesteigert werden. Die Lösung soll die Industrie 4.0 nach deutschem Vorbild bringen. Industriepolitiker sollten sich überlegen, wie sie künftig mit den Anfragen für Übernahmen deutscher Unternehmen umgehen.

Von Christoph Giesen

In der deutschen Wirtschaft herrscht Konsens, ja, es gilt fast als Doktrin, dass man gut damit gefahren ist, wenn die Politik nicht eingreift ins Geschäft: Firmenübernahmen sollen durch den Markt geregelt werden, und die Regierung hat sich nicht einzumischen, etwa wie in Frankreich, wo der Staat regelmäßig dazwischengeht, um Fusionen zu verhindern - notfalls, indem sogar Milchkonzerne zu staatsrelevanten Unternehmen erklärt werden. In der Vergangenheit war diese Doktrin berechtigt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Chinesische Unternehmen sind auf Einkaufstour in Europa, und niemand ist darauf vorbereit.

Die Bundesregierung hat jetzt die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea genehmigt. Das Unternehmen, das bislang Mikrowellen, Herde und Kühlschränke für den chinesischen Massenmarkt fertigte, verfügt nun über eine außergewöhnliche Spitzentechnologie. Andere Kombinationen sind denkbar: Textilunternehmen vielleicht, die für Zughersteller bieten. Baukonzerne, die sich eine Automatisierungssparte zulegen. Oder Reedereien, die sich für eine Medizintechnikfirma interessieren. Alles ist möglich, und das ist Teil eines staatlichen Plans.

Im vergangenen Jahr stellte die Führung in Peking ihre sogenannte "Made in China 2025"-Strategie vor. Chinas Wirtschaft soll grüner und innovativer werden, die chinesischen Produkte besser. Ramsch hat keine Chance mehr. Zehn Industrien haben Chinas Wirtschaftsplaner dafür ausgemacht, von der Zugtechnik, über die Autoproduktion bis hin zur Pharmabranche. Überall dort soll höhere Qualität geliefert werden. Wie das gelingen soll? Die Lösung haben Pekings Beamten in Deutschland gefunden, sie nennt sich Digitalisierung der Produktion, die Industrie 4.0.

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Viele chinesische Firmen betrachten die neue Strategie wie einen Einkaufszettel. Fast jeden Tag melden sich chinesische Manager bei den gängigen Beraterfirmen in Deutschland und fragen an, ob es nicht eine passende Firma gebe, die man übernehmen könne. Chinesische Unternehmen, die bei der angestrebten industriellen Digitalisierung vorne liegen, dürfen sich schließlich großzügige Subventionen und Staatsaufträge erhoffen.

Spätestens jetzt, nach der Kuka-Übernahme, sollten sich deutsche Industriepolitiker überlegen, wie sie mit Angeboten aus China umgehen. Auf dem Papier mögen viele privatwirtschaftliche Unternehmen wenig mit dem Staat zu tun haben, manche von ihnen sind gar an der Börse notiert. Doch dieser Eindruck trügt. Viele Firmenchefs sitzen in Gremien der Kommunistischen Partei, und wenn es um Kredite geht, entscheiden Chinas Staatsbanken. Und die Bosse dieser Institute sind ganz nah an der Macht. Sie sind Beamte im Rang von Vize-Ministern.

Welche Möglichkeiten bleiben, um auf die Offerten zu reagieren? Das Außenhandelswirtschaftsgesetz mag bei Rüstungsunternehmen oder Energiekonzernen greifen, aber bei einer Roboterfirma ist nichts zu machen. Auch das Kartellrecht ist chinesischen Übernahmen nicht gewachsen. Wettbewerbshüter in Europa urteilen nicht nach Herkunftsländern, sondern prüfen lediglich die Marktanteile von Unternehmen. Kartellwächter haben dann keinen Zugriff, wenn - wie im Fall von Kuka - ein branchenfremdes Unternehmen aus dem Haushaltssektor bietet und eben kein Roboterhersteller.

Schaut man sich die chinesischen Übernahmen der vergangenen Jahre an, fallen Muster auf. Etliche Werkzeugmaschinenhersteller wurden gekauft. Auch der Markt für Betonpumpen ist inzwischen fest in chinesischer Hand. Mehr und mehr Branchen werden dazukommen. Durchmonopolisiert und chinesisch kontrolliert.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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