China:"Ein Versuch der Einschüchterung"

Lesezeit: 2 min

Chinesische Satire: Jiang Zemin, Xi Jinping und Deng Xiaoping im Panamakanal. (Foto: N/A)

In China wird ein Anwalt verhaftet, der Witze über Panama Papers macht.

Interview von Kai Strittmatter, Peking

Am Donnerstag postete Rechtsanwalt Ge Yongxi eine satirische Fotomontage über die Panama Papers auf dem Messaging-Dienst Wechat. Wenige Stunden später wurde er festgenommen. Das Foto zeigt die drei Führer Deng Xiaoping, Jiang Zemin und Xi Jinping beim Durchwaten des Panamakanals. Es nimmt Bezug auf einen alten Spruch von Deng, der einst zu seiner Reformpolitik gesagt hatte, man müsse "beim Durchqueren des Flusses sich von Stein zu Stein vorantasten". Deng, ganz rechts, sagt, dass der Kanal aber sehr tief sei. Jiang, ganz links, fürchtet, sie könnten ertrinken. Xi beruhigt ihn, er habe doch einen Schwager. "Schwager" ist seit 2012 in Chinas Netz eine Chiffre für Korruption und die unsauberen Beziehungen von Macht und Kapital: Damals hatte es erste Enthüllungen über das geheime Vermögen von Deng Jiagui, Ehemann der älteren Schwester von Parteichef Xi Jinping gegeben. Auch in den Panama Papers findet Schwager Deng sich mit einer Briefkastenfirma - sowie die Verwandten von insgesamt acht amtierenden oder ehemaligen Politbüro-Mitgliedern. Die Zensur löscht deshalb alle Hinweise auf die Enthüllungen aus Chinas Netz. Nach der Festnahme von Ge Yongxi sprach die SZ mit seinem Rechtsanwalt Chen Jinxue.

SZ: Wann wurde Ge Yongxi verhaftet?

Chen Jinxue: Etwa um Mitternacht in der Nacht auf Freitag. Fünf Polizisten kamen zu ihm nach Hause und brachten ihn in die Polizeiwache von Yanbu in Foshan. Sie sagten, er habe über den MessagingDienst Wechat eine beleidigende Nachricht über Chinas Staatsführer gepostet. Sie verlangten das Passwort seines Handys und nahmen ihm das Telefon dann ab.

Sie vermuten, Ge wurde abgeholt, weil er eine satirische Fotomontage über die Panama Papers verschickt hatte. Was macht Sie da so sicher?

Die Polizei teilte mir mit, der Grund der Festnahme sei die "öffentliche Verunglimpfung Dritter". Damit meinen sie wohl diese Fotomontage. Er hatte sie in seinem Freundeskreis in Wechat gepostet. Sie steht da übrigens noch immer.

Warum vertreten Sie denn Ge Yongxi?

Wir sind Freunde, Gleichgesinnte. Ich bin auch in seinem Wechat-Freundeskreis.

Wussten Sie von den Panama Papers?

Ich hatte im Internet und in meinen Wechat-Freundeskreisen darüber gelesen.

Glauben Sie, dass viele Chinesen die Enthüllungen mitbekommen haben? Die Zensur arbeitet doch auf Hochtouren.

Das kann ich nicht einschätzen. Aber das Internet hilft uns schon. Wer will, kann sich Zugang zu Informationen verschaffen, wenn vielleicht auch nicht umfassend. Postings zu den Panama Papers waren zu Anfang sogar noch auf dem Mikroblogging-Dienst Weibo zu sehen. Die wurden dann alle gleich komplett gelöscht, aber auf Wechat, in den Freundeskreisen, haben viele Leute das weiterverbreitet.

Haben Sie die Fotomontage denn selbst auch weiterverbreitet?

Ja.

Warum hat man Sie nicht festgenommen?

Wahrscheinlich hatten sie Ge Yongxi im Visier, weil er als Rechtsanwalt viele Menschenrechtsfälle übernommen hatte. Sie haben ihn schon lange überwacht.

Die Behörden überwachen doch auch Wechat lückenlos. Warum löschen sie nicht das Foto? Warum nehmen sie Ge fest?

Es ist eine Warnung, der Versuch der Einschüchterung.

Wen wollen sie warnen?

Jeden, der sich für die Panama Papers interessiert.

Haben sie damit Erfolg? Fühlen Sie sich nun eingeschüchtert?

Als ich von der Festnahme erfuhr, bekam ich einen Schrecken. Aber jetzt habe ich keine Angst. Wir wollen nur Gerechtigkeit, wir sind nicht allein.

Was befürchten die Behörden denn?

In den Panama Papers stehen die Namen der Mächtigen. Die einfachen Leute erfahren so von deren Korruption.

China hat einen gewaltigen Zensurapparat. Funktioniert die Zensur?

Die Menschen, die wegschauen, die werden auch weiter nichts erfahren. Aber die, die schon aufgewacht sind, denen wird immer klarer, dass dieses System nicht mehr zu retten ist. Das macht sie nur noch standhafter. Was sie tun, hat auch oft den gegenteiligen Effekt: Sie hätten ja das Foto einfach lassen können, das hätte sich wohl versendet. Aber sie verhaften Ge und lenken somit noch mehr Interesse darauf.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: