China:Ein Land setzt auf Rot

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Meng Hongwei, Chinas stellvertretender Polizeiminister, ist seit Ende 2016 der Präsident von Interpol. Kritiker werfen Peking vor, Regimegegner unter einem Vorwand verfolgen zu lassen. (Foto: dpa)

Peking nutzt die Polizei-Organisation Interpol, um international nach Kritikern zu fahnden. Der Interpol-Präsident ist ein Chinese.

Von Kai Strittmatter, Peking

40 Tage sitzt der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanlı nun schon in Spanien fest. Und das alles, weil er auf der Liste der Gesuchten bei Interpol stand: Die Türkei hatte über Interpol eine sogenannte "Rote Ausschreibung" (red notice) gegen Akhanlı erwirkt, einen türkischstämmigen Autoren mit deutscher Staatsbürgerschaft, der seit Jahren in der Menschenrechtsarbeit aktiv ist.

Der Fall hatte ein weiteres Mal ein Schlaglicht auf die internationale Polizeiorganisation Interpol geworfen: Kritiker werfen Interpol vor, sich immer wieder von autoritären Regimen instrumentalisieren zu lassen, welche die roten Ausschreibungen dazu nutzen, um Regimekritiker weltweit aufspüren und verfolgen zu lassen unter dem Vorwand, sie seien Kriminelle. Die Kritik wird in diesen Tagen noch einmal lauter. Denn die Mitgliedstaaten von Interpol treffen sich seit Dienstag für drei Tage zur Generalversammlung. Und zwar in Peking. China stellt seit dem Ende des vergangenen Jahres den Präsidenten der Organisation: Meng Hongwei, im Hauptberuf stellvertretender Polizeiminister seines Heimatlandes.

Ein in München lebender Uigure wird auf Betreiben Chinas als Bombenleger gesucht

China steht selbst nicht im Ruf, ein exemplarischer Rechtsstaat zu sein. Tatsächlich hat die Repression Andersdenkender seit dem Amtsantritt von Parteichef Xi Jinping 2012 zugenommen. Gleichzeitig nutzt China unter Xi die Instrumente von Interpol besonders intensiv: 200 rote Ausschreibungen habe Interpol auf Ersuchen Pekings seither pro Jahr ausgestellt, schreibt die Pekinger Zeitung Legal Daily. Und während viele davon flüchtigen Korruptionsverdächtigen gelten, nimmt Peking über Interpol immer wieder auch politisch Andersdenkende ins Visier. Peking versuche seit Jahren "Andersdenkende und Aktivisten zu verfolgen über politisch motivierte rote Ausschreibungen von Interpol", schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch HRW nun in einem offenen Brief an den Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock, einen Deutschen. Interpol müsse dem Missbrauch Einhalt gebieten. Als Beispiel nennt HRW den in München lebenden Exil-Uiguren Dolkun Isa, der einst aus China geflüchtet war und heute als deutscher Staatsbürger den Weltkongress der Uiguren als Generalsekretär leitet. Isa sei einer jener friedlichen Aktivisten, den China zu kriminalisieren versuche: China lässt ihn offiziell als Bombenleger, Räuber und Terroristen suchen. Und im August erst stellte Interpol auf Ersuchen Pekings eine rote Ausschreibung auf den Namen Guo Wenguis aus. Guo ist ein in den USA im Exil lebender chinesischer Milliardär, der kurz zuvor das chinesische Internet erschüttert hatte mit spektakulären Korruptionsvorwürfen gegen die Familie Wang Qishans - der rechten Hand von Parteichef Xi.

Interpol selbst betreibt als Organisation vor allem den Austausch von Informationen unter Mitgliedstaaten, die roten Ausschreibungen haben keine bindende Kraft. Die deutsche Polizei etwa rührt den Uiguren-Aktivisten Dolkun Isa nicht an, aus gutem Grunde. Und doch kann man als so Gesuchter leicht in die Mühlen kafkaesker Kräfte geraten, wie sich am Falle Dogan Akhanlı gerade studieren lässt. Autoritäre Regime wie China, schreibt Human Rights Watch, "strecken ihren Arm zunehmend außerhalb ihrer Grenzen aus, um all jene einzuschüchtern oder zum Schweigen zu bringen, die sie für problematisch halten".

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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