China:Am Fernsehpranger

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Erstmals wird im chinesischen Fernsehen auch ein Schwede als reuiger Sünder vorgeführt. Sein Verbrechen: Die von ihm gegründete NGO, die vor allem Rechtshilfe leistet, gefährde die Sicherheit des Staates. Er ist in Haft - und seine Freundin ist verschwunden.

Von Kai Strittmatter, Peking

Unter Partei- und Staatschef Xi Jinping hat die Praxis des Fernsehprangers Einzug gehalten in China: Festgenommene Rechtsanwälte, Bürgerrechtler und Andersdenkende werden im Propagandasender CCTV als reuige Sünder vorgeführt - lange bevor sie ein Gerichtsverfahren bekommen. Erstmals traf es am Dienstag nun einen Ausländer: Der Anfang Januar festgenommene Schwede Peter Dahlin trat am Dienstag in einem Video auf, in dem er gestand, "die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt" und "Gesetze gebrochen" zu haben.

Der 35-jährige Dahlin leitete die 2009 gegründete Nichtregierungsorganisation "Chinese Urgent Action Working Group", die Rechtsanwälte weiterbildet und Rechtshilfe leistet. Chinas Staatsmedien berichteten nun, der Schwede und die von ihm geleitete NGO hätten die "Sicherheit des Staates" gefährdet. Dahlin und seine Mitarbeiter seien in China "eingeschleust" worden von "feindlichen westlichen Kräften", um Chinas Führung zu schaden und "Chinas Image in der Welt zu zerstören". Michael Caster, ein Mitarbeiter der NGO, nannte die Anschuldigungen "grundlos" und sprach von einem "offensichtlich erzwungenen Geständnis".

Das Vorgehen gegen den Schweden und seine NGO kommt zu einer Zeit, da Chinas Regierung gleich an zwei Fronten die Unterdrückung verschärft. Zum einen läuft seit Sommer eine Kampagne gegen prominente Bürgerrechtsanwälte, die über Nacht zu Staatsfeinden erklärt wurden. Fünf von ihnen wurden soeben wegen "Subversion" angeklagt, eine Anklage, die ihre Verteidiger und Familien schockierte. Im Visier des Sicherheitsapparates war vor allem die Fengrui-Kanzlei in Peking, viele der Fengrui-Anwälte sitzen seit dem Sommer im Gefängnis. Einer von ihnen, Wang Quanzhang, war der Gründungspartner von Peter Dahlin.

Zum anderen ist die Zivilgesellschaft als solche ebenso im Visier des Sicherheitsapparats. Im Moment bereiten Chinas Behörden ein Gesetz vor, das ausländisch finanzierte oder geleitete NGOs in Zukunft dem Polizeiministerium unterstellt, um Chinas "nationale Sicherheit" zu gewährleisten. Offensichtlich stand Wladimir Putins Russland Pate bei der neuen Politik. Gleichzeitig verstärkt sich der ausländerfeindliche Ton in der Propaganda der KP, das Volk wird immer häufiger aufgerufen, vor "feindlichen westlichen Kräften" auf der Hut zu sein, die Chinas Aufstieg sabotieren wollten.

In den Fernsehaufnahmen, die Peter Dahlin zeigen, entschuldigt sich der Schwede für seine "schädlichen Aktivitäten". Die Nachrichtenagentur Xinhua warf ihm konkret vor, sich etwa der Schicksale von Abrissopfern "und anderer heikler Fälle" angenommen zu haben, um diese Konflikte dann "mit Absicht zu eskalieren": Dahlins Organisation habe "die Menschen dazu aufgestachelt, sich gegen die Regierung zu stellen und Massenzwischenfälle zu produzieren". Dahlins chinesische Freundin Pan Jinling ist bis heute spurlos verschwunden.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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