CDU/CSU:Unionsfraktion streitet drei Stunden über Flüchtlingspolitik

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  • Die CSU stellt Bedingungen für eine Zustimmung zu einem EU-Türkei-Pakt.
  • Die Sitzung der Unionsfraktion dauert ungewöhnlich lange, in der Sache gibt es keine Annäherung.
  • Merkel beteuert: "Wir gehören zusammen."

Von Robert Roßmann, Berlin

Vor dem EU-Gipfeltreffen zur Flüchtlingspolitik versucht die CSU, den Druck auf die Kanzlerin zu erhöhen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt stellte am Dienstagabend in der Sitzung der Unionsfraktion vier Bedingungen für eine Zustimmung ihrer Partei zu einem EU-Türkei-Pakt.

Hasselfeldt sagte, es dürfe keine volle Visafreiheit für Türken geben. Falls es zur Verständigung auf die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei komme, müsse sichergestellt werden, dass diese tatsächlich auf ganz Europa verteilt würden und nicht größtenteils nach Deutschland kämen. Außerdem dürfe es keine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU geben, sagte Hasselfeldt. Zudem müsse die Bundesregierung bei allen Kontakten mit der Türkei die Missstände bei den Menschenrechten ansprechen.

Hasselfeldt, die eigentlich ein gutes Verhältnis zur Kanzlerin pflegt, stellte sich damit hinter Forderungen ihres Parteichefs. Horst Seehofer hatte am Montag angekündigt, dass sich Merkel nach dem Einbruch der CDU bei den Landtagswahlen auf stärkere Kritik einstellen müsse. Der "Protest light" sei nun beendet.

Der Pakt mit der Türkei ist der zentrale Bestandteil von Merkels Weg, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Dass die CSU der Kanzlerin vorab Bedingungen diktiert, wurde in der CDU deshalb als unfreundlicher Akt wahrgenommen.

Die Sitzung der Unionsfraktion dauerte ungewöhnlich lange. In der gut dreistündigen Debatte meldeten sich etwa 20 Abgeordnete zu Wort, der Großteil von ihnen mit kritischen Anmerkungen. Der Ton war dabei Teilnehmerangaben zufolge nicht unfreundlich, in der Sache gab es aber keine Annäherung zwischen Merkel und ihren Kritikern. Ein führender CSU-Abgeordneter sagte anschließend: "Die Kanzlerin ist nicht gewillt, ihren Kurs zu ändern, der Bogen spannt sich deshalb immer weiter."

Merkel versuchte in der Sitzung, die Wogen zu glätten. Sie beschwor die Gemeinschaft von CDU und CSU und beteuerte: "Wir gehören zusammen". Dabei ging sie auch auf den Forderungskatalog der CSU ein. Merkel sagte, der EU-Beitritt der Türkei stünde jetzt noch gar nicht auf der Tagesordnung. In der Debatte um die Visafreiheit wies sie auf einen Beschluss der Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien vom 5. November hin. Darin habe man sich unter bestimmten Bedingungen auf Visa-Erleichterungen für Türken verständigt.

Merkel beteuerte, sich bei den Verhandlungen genau an diese Bedingungen zu halten. An diesem Mittwoch treffen sich die Spitzen von CDU und CSU, um über ihre Differenzen zu reden. Das Treffen im Kanzleramt soll um 21 Uhr beginnen. Bereits am Mittag gibt Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel ab.

Es wird nicht erwartet, dass es bei dem Treffen der Unionsspitzen zu einer Annäherung kommt. Dafür liegen die Positionen zu weit auseinander. Da die europäischen Verhandlungen nach Ansicht der CSU bisher noch keine ausreichenden Erfolge gebracht haben, fordert Seehofer - auch mit Blick auf die Wahlergebnisse der AfD -, dass die Bundesregierung nationale Maßnahmen an der deutschen Grenze beschließt. Merkel lehnt das entschieden ab.

In der Fraktionssitzung verwies sie darauf, dass täglich nur noch 100 bis 200 Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden. In der CDU erklärt man sich den Einbruch bei den Wahlen dagegen mit der Uneinigkeit der Union. Vor allem wegen der Angriffe aus Bayern biete die Union ein Bild der Zerstrittenheit. Dies habe die Wähler abgeschreckt.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Seehofer habe gemeinsam mit der Kanzlerin für Visaerleichterungen gegenüber der Türkei gestimmt. Die Ablehnung hält der SPD-Chef deshalb für "absolut unverständlich".

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