Bundestag debattiert über Flughafen Berlin-Brandenburg:Alle sind sauer, aber keiner hat Schuld

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Die Debatte um den Großflughafen Berlin-Brandenburg im Bundestag zeigt: Weil fast alle Parteien irgendwie am Desaster beteiligt sind, will sich keiner so richtig die Verantwortung zuschieben lassen. Die FDP poltert mächtig, aber schreckt davor zurück, harte Konsequenzen zu fordern. Nur Renate Künast und die Grünen sind fein raus - machen aber nichts daraus.

Thorsten Denkler, Berlin

Als Martin Lindner von der FDP im Bundestag ans Rednerpult tritt, macht er das, was er am besten kann: draufhauen. Lindner ist technologiepolitischer Sprecher seiner Fraktion, Chef der darbenden Berliner FDP und wird nicht zu Unrecht auch Martin-"Eure Armut kotzt mich an"-Lindner genannt. Die FDP flog 2011 mit 1,8 Prozent aus dem Landesparlament. Da wurden die Hauptstadt-Liberalen etwas stiller. Lindner wurde danach erst Landeschef und sitzt im Bundestag - und darf zu einem Berliner Thema sprechen.

Die Bundestagsfraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Renate Künast im Bundestag. (Foto: dpa)

Im Bundestag geht es um den Pannen-Flughafen Berlin-Brandenburg. Jenem Großprojekt, das eigentlich am ersten Juni-Wochenende in Betrieb gehen sollte. Aber auf dem jetzt erst ab März 2013 Flugzeuge starten und landen sollen. Vordergründig wegen Mängeln beim Brandschutz.

Peinlich sei das, sagen mehrere Redner in der eineinhalbstündigen Debatte. Deutschland habe sich damit "unfassbar blamiert", findet auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

"Wowereit hat versagt!"

Lindner und Döring haben es an diesem Freitag leicht, die Vorgänge zu kritisieren und Verantwortliche auszumachen. Allen voran Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Die FDP regierte in den vergangenen Jahren in keinem der beiden Bundesländer mit. Mit Fug und Recht darf sie behaupten, mal nicht mitschuldig zu sein, wenn in diesem Land etwas gehörig danebengeht.

Und so kann Lindner ungehindert lospoltern: "Jetzt weiß die ganze Republik, was Wowereit unter Chefsache versteht! Dieser Regierende Bürgermeister hat versagt!", ereifert er sich. Den anderen Parteien spricht er ab, irgendeine Art von Kompetenz in Sachen Flughafenbau zu haben.

Mit den einen könne höchstens ein "Froschtunnel unterm Runway" betrieben werden, ruft er in Richtung der Grünen. Und an die Linke gerichtet sagt er, mit dieser gäbe es ein "Nachtflugverbot von 13 Uhr nachmittags bis elf Uhr vormittags, um Werktätige und Hartz-IV Empfänger zu schützen".

Selbst die FDP muss sich zurückhalten

Doch auch Lindner ist nicht frei von Zwängen. Wowereit müsse zurücktreten, fordert er. Erstaunlicherweise aber nicht vom Amt des Regierenden Bürgermeisters, sondern lediglich vom Vorsitz des Aufsichtsrates der Berliner Flughafengesellschaft.

Da zeigt sich: Lindner muss sich zurückhalten. Im Aufsichtsrat sitzen ja nicht nur Wowereit und Platzeck, sondern auch die Bundesregierung, vertreten durch einen Staatssekretär von Bundesverkehrsminister Peter Raumsauer (CSU) und einen Staatssekretär von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Es ist also eine der Debatten, in der die Redner sich hüten, allzu sehr mit einem Finger auf andere zu zeigen. Weil sonst alle anderen Finger auf sie selbst gerichtet wären.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi versucht es dennoch und hält die Verschiebung des Eröffnungstermins für eine "Blamage". Das Ganze habe "Provinzniveau".

Allerdings muss auch er sich vorhalten lassen, dass die Linke

a) bis September in Berlin mitregiert hat,

b) es in Brandenburg derzeit tut und somit

c) zwei Minister der Linken ebenfalls im Aufsichtsrat sitzen.

"So richtig versemmelt"

Im Grund sind also nur die Grünen fein raus. Die haben in den vergangenen Jahren weder in den beiden Ländern noch im Bund mitregiert.

Doch deren Fraktionschefin Renate Künast, bei der Berlin-Wahl Klaus Wowereit haushoch unterlegen, fordert auch nur rückhaltlose Aufklärung. Aber keine größeren Konsequenzen. Obwohl sie herbe Vorwürfe formuliert: Den Rausschmiss von Technikgeschäftsführer Manfred Körtgen hält sie für ein Bauernopfer. Die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund hätten das bekannteste deutsche Infrastrukturprojekt "so richtig versemmelt". Und sie lasse sich die Behauptung "nicht unterschieben", der Aufsichtsrat habe erst mit Datum 20. April von den Brandschutzproblemen gewusst.

Die Quintessenz der Debatte: Zu viele Köche verderben den Brei. Und zu viele Beteiligte lassen die Verantwortlichkeiten bei einem Großprojekt verschwimmen. So ist es auch bei dem Flughafen Berlin-Brandenburg. Schuld sein will am Ende niemand.

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