Bulgarien:Sofia vor Rechtsruck

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Bulgariens alter und neuer Regierungschef Boiko Borissow. (Foto: Stoyan Nenov/Reuters)

Der Ministerpräsident bleibt derselbe, doch die Politik der bulgarischen Regierung dürfte eine andere werden: Weil Borissows Koalitionspartner bei der Wahl scheiterte, regieren nun Rassisten und Nationalisten mit.

Von Florian Hassel, Warschau

Die Bulgaren bekommen eine neue Regierung unter ihrem bisherigen Regierungschef. Boiko Borissow war bereits zweimal Ministerpräsident und wurde mit seiner konservativen Gerb-Partei Ende März Sieger der vorgezogenen Parlamentswahl. Nun stellte er in Sofia eine neue Koalitionsregierung mit Beteiligung dreier rechter bis rechtsextremer Parteien vor. Die Zustimmung des Präsidenten und die Wahl der Regierung an diesem Donnerstag gelten nur als Formsache.

Borissow regierte bis Ende 2016 mit Politikern eines Reformblocks. Diese schafften es nach der Aufsplitterung in drei Parteien bei der Wahl am 26. März nicht wieder ins Parlament. Dagegen gelang das drei rechten bis rechtsradikalen Parteien als Wahlbündnis "Vereinigte Patrioten". Die Postkommunisten, zweitgrößte Partei im Parlament, und Borissows Gerb sind erbitterte Gegner. Auch eine Koalition mit einer bei vielen diskreditierten Partei türkischstämmiger Bulgaren schloss Borissow aus. Es blieben die "Vereinigten Patrioten": die rechtsnationale WMRO-Partei des Moskau nahen Ex-Geheimdienstlers Krassimir Karakatschanow, die Nationale Front für die Rettung Bulgariens (NFSB) des offen rassistischen Walerij Simeonow und die Moskau nahe Ataka-Partei unter Wolen Sidorow, die bekannt ist durch Übergriffe gegen bulgarische Muslime.

Die Politik in Sofia, das 2018 den EU-Vorsitz übernimmt, dürfte nun weiter nach rechts rücken und zunehmend nationalistische gefärbt werden. Zwar bestimmt auch in Bulgarien der Regierungschef die Richtlinien der Politik, also wieder Borissow. Auch Außenministerin Jekaterina Saharijewa soll als Vertraute Borissows für Kontinuität in der Außenpolitik sorgen. Zudem soll sie als für die Justizreform zuständige Vize-Premierministerin die Kritik der EU beschwichtigen am Stillstand auf diesem Feld und bei der Korruptionsbekämpfung. Doch Borissow genoss schon zuvor die Zustimmung der Rechten, etwa für den Bau eines Zauns an der Grenze zur Türkei, der Migranten abhalten soll. Jetzt erhalten die Rechten aber erstmals Regierungsämter: WMRO-Chef Karakatschanow wird Verteidigungsminister und als weiterer Vize-Ministerpräsident zuständig sein für Sicherheit und öffentliche Ordnung. Sein patriotischer Bündnispartner, NFSB-Chef Simeonow, der Roma "wilde Affen" nannte, übernimmt als dritter Vize-Regierungschef die Verantwortung für Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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