FDP-Spitzenkandidatin Steiner in Bremen:Relaunch an der Weser

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Die 29-jährige Lencke Steiner ist Spitzenkandidatin der FDP in Bremen. (Foto: dpa)
  • In Bremen ruhen die Hoffnungen der FDP bei der Bürgerschaftswahl am 10. Mai auf der 29-jährigen Lencke Steiner, die als Novizin ins Rennen geht.
  • Steiner soll der Partei im ärmsten deutschen Bundesland einen neuen Look verleihen.
  • Erste Umfragen prophezeien der Unternehmerin in Bremen bis zu sechs Prozent der Stimmen.

Von Peter Burghardt, Bremen

Vor ein paar Monaten saß die Spitzenkandidatin der Bremer FDP offenbar ganz alleine in ihrem Büro und veranstaltete eine Gesellschafterversammlung, es ging um ihre neue GmbH. "Sie sitzen da am Schreibtisch und reden mit sich selbst", berichtet Lencke Steiner. "Das müssen Sie dann aufschreiben. Ist wirklich skurril."

Sie schildert die Episode in einem Lokal hinter Bremens Rathaus und hat sich auch zuvor auf der Bühne darüber amüsiert, neben sich ältere Vertreter anderer Parteien der Bürgerschaftswahl am 10. Mai und vor sich Familienunternehmer wie sie selbst.

Das mit der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtversammlung zur Gründung einer GmbH soll zeigen, dass die deutsche Wirtschaft von Bürokratie geknechtet wird und von ihrer FDP befreit werden muss. Das Beispiel erzählt aber vor allem über die Bewerberin Steiner, 29, und die neue FDP.

Steiner als Stern der finsteren Bremer FDP

Puschy Investment heißt die Firma, zu deren Erweckung die Schöpferin anscheinend mit sich selbst tagen musste. "Puschy" ist der Kosename von Lencke Steiner, ihre Solo-GmbH will Gründern bei der Suche nach Investoren helfen. "Sternstunden für Visionäre", beschwört die Website. "Investment mit Instinkt. In jeder Finsternis leuchtet ein Stern." Die Politikerin Steiner soll nun der Stern in der Finsternis der Bremer FDP sein, der nächste Blickfang einer kurios wiederbelebten Partei.

Erinnert sich noch jemand an Guido Westerwelles 18 auf der Schuhsohle? 2002 hielt der damalige FDP-Chef den Wunsch nach 18 Prozent in die Kamera, später flogen die Freien Demokraten aus dem Bundestag und bekamen in Bremen 2011 nur noch 2,4 Prozent der Wählerstimmen. Dann übernahm Christian Lindner. In Hamburg schaffte es Lindners Truppe kürzlich auf 7,4 Prozent, nachdem seine Statthalterin Katja Suding ihre Beine zeigen durfte. Jetzt versucht sich in der anderen Hansestadt eine hübsche Novizin, die kein Parteimitglied ist, aber dafür sogar in Klatschheft und Fernsehshow auftrat.

Großes Plakat wirbt für kleine Partei: Spitzenkandidatin Lencke Steiner will die FDP wieder in Bremens Rathaus bringen. (Foto: imago/Eckhard Stengel)

Bei Westerwelles Einlage vor 13 Jahren war Lencke Steiner 16 und trug den Namen Lencke Wischhusen. Inzwischen ist die Betriebswirtin und Kauffrau außer Start-up-Vermittlerin auch Leiterin des familieneigenen Verpackungsbetriebs, der mit 50 Mitarbeitern 15 Millionen Euro umsetzt, Bundesvorsitzende des Verbandes Junger Unternehmer, Konzernbeirätin der Deutschen Bahn, Fernsehjurorin und Fotomotiv. In der TV-Veranstaltung "Höhle der Löwen" richtete sie auf Vox kühl über junge Geschäftsideen.

Da hatte die darbende FDP den Einfall, mit der parteilosen Aufsteigerin die Rückkehr in Bremens Bürgerschaft zu versuchen. Eine Zeitschrift zeigte sie zunächst bei gemeinsamer Verrenkung mit Hamburgs Katja Suding und FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. "Drei Engel für Lindner" stand über dem Foto. Das Experiment könnte sogar funktionieren, Umfragen sagen der Bremer FDP bis zu sechs Prozent voraus.

An den Machtverhältnissen würde zwar auch dieses Comeback wenig ändern. Gewinnen wird die SPD, erneut mit Bürgermeister Jens Böhrnsen und wohl wieder mit den Grünen. Die SPD gewinnt an der Weser immer, obwohl der Stadtstaat das ärmste Bundesland ist, die meisten Arbeitslosen hat und bei der Pisa-Studie als Letzter geführt wird.

"FDP einzige Partei, die für Chancengleichheit steht"

Doch Lencke Steiner bemüht sich, in dem faden Wahlkampf aufzufallen, ihre Erscheinung mit dem langen blonden Haar ist dabei auf den ersten Blick vermutlich nicht von Nachteil.

Andererseits könnte zu viel Äußerlichkeit, Dynamik, Lobbyismus und Wohlstand den einen oder anderen Hanseaten in sozial weniger bequemer Lage eher verschrecken. Obendrein hat Lencke Steiner einen Jungunternehmer geheiratet, der mit Öl und Gas handelt, es ist überhaupt alles so unternehmerisch, wie man sich die FDP vorstellt.

SZ-Grafik; Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Foto: N/A)

Die Unternehmerschaft habe in Deutschlands Politik gar nicht mehr stattgefunden, klagt sie. "Die FDP ist die einzige Partei, die für Chancengerechtigkeit steht und den Einzelnen fördert, statt den Staat groß zu machen. Diese FDP ist ein echter Relaunch."

Die Aspirantin schimpft über Quoten, Beschränkungen, Mindestlohn und Rentenlast für die Zukunft. Die Kinder könnten ja nach vielen Schulabschlüssen nicht mal rechnen. "Ich stelle bei Bewerbungen gerne die Frage, was sind fünf Prozent von 80? Da kommen die abenteuerlichsten Antworten raus."

Mit Details hält sie sich sonst nicht immer auf und bittet um Verständnis, "dass ich noch nicht die Tiefe in den Zahlen habe", was Rivalen etwas befremdlich finden. Stattdessen verspricht die Quereinsteigerin Einsatz für Bildung, Handwerk und Start-ups.

Den "neuen Look der FDP in Bremen", stellt Lencke Steiner im Internet an einem magentafarbenen Container vor. Jeder könne Gründer werden, "auch aus der Garage". Sie zeigt auf das Gebäude der Bürgerschaft: "mein Büro". Es ist aber sicher beruhigend, wenn man nebenbei noch andere Büros hat und eine Ich-GmbH.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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