Blutige Proteste in Syrien:Nach Assad-Rede: Schüsse auf Demonstranten

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Erster öffentlicher Auftritt des Präsidenten: Assad macht eine "Verschwörung" für die Proteste in seinem Land verantwortlich. Im Anschluss kommt es erneut zu Gewalt.

Wenige Stunden nach der ersten öffentlichen Rede des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad seit Beginn der Proteste ist die Gewalt erneut eskaliert: In der Hafenstadt Latakia haben Sicherheitskräfte das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, berichtet die Nachrichtenagentur dpa und beruft sich dabei auf syrische Bürgerrechtsaktivisten.

Erstmals seit Beginn der Proteste wandte sich Syriens Präsident Baschar al-Assad an sein Volk - er ließ sich dabei mehrmals von Anhängern und Abgeordneten feiern. (Foto: Reuters)

Zu neuen Protesten kam es auch in der südsyrischen Stadt Daraa. Die Menschen dort forderten nun auch unter der Parole "Hau ab! Hau ab!" den Rücktritt Assads, berichteten Aktivisten auf der Facebook-Seite "Syrian Revolution 2011".

Bisher hatten die Demonstrationen mit ihren Forderungen auf politische Reformen und mehr Freiheiten für die Bürger abgezielt. Doch mit seiner Rede am heutigen Mittwoch dürfte der Präsident den Konflikt noch verschärft haben.

Denn während des perfekt inszenierten und vom Staatsfernsehen direkt übertragenen Auftritts im syrischen Parlament in Damaskus hatte er - anders als zuvor erwartet - nicht die Aufhebung des Ausnahmezustands angekündigt. Die Protestwelle der Bürger hatte er als "ausländische Verschwörung" dargestellt.

Ziel sei es, Syrien in einen religiösen Konflikt zu treiben, sagte Assad vor dem Parlament. "Mit Gottes Hilfe werden wir diese Verschwörung überwinden." Zugleich sprach er sich für Reformen aus. Syrien sei nicht isoliert von den Vorgängen in der übrigen arabischen Welt.

Zuvor hatten ihn Hunderte Anhänger vor dem Parlament in Damaskus begrüßt. Sie riefen: "Mit unserer Seele und unserem Blut opfern wir uns für dich, oh Baschar." Auch seine Rede unterbrachen mehrere Abgeordnete, um in Zwischenrufen und Versen ihre Treue zu bekunden.

Syrien wird seit etwa zwei Wochen durch Proteste von Regimegegnern erschüttert, die umfassende Reformen, Meinungsfreiheit und Achtung der Menschenrechte fordern. Am Dienstag waren dann landesweit mehr als eine Million Anhänger des Regimes auf die Straße gegangen. Außerdem trat die Regierung geschlossen zurück. Die Führung versprach Reformen.

Einige Forderungen der Demonstranten bezeichnete Assad vor dem Parlament als berechtigt. Zu der von der Opposition geforderten Aufhebung der seit 1963 geltenden Notstandsgesetze äußerte er sich jedoch nicht. Dafür aber zu den gewaltsamen Protesten in der Stadt Deraa. Vor wenigen Tagen hatten syrische Sicherheitskräfte nach Berichten von Menschenrechtsaktivisten mehr als 100 Demonstranten in der Stadt erschossen. Die Opposition sprach von einem "Massaker an friedlich Protestierenden".

Für die Eskalation der Gewalt machte Assad eine Minderheit verantwortlich, die Chaos habe auslösen wollen. Es habe klare Anweisungen gegeben, zu vermeiden, dass Bürger während der Proteste zu Schaden kämen.

Nach den tagelangen Protesten der Opposition in Syrien war die Regierung des Landes am Vortag zurückgetreten. Gleichzeitig wurden hinter den Kulissen weiterhin Regimekritiker drangsaliert und eingesperrt. Auch die Versuche, Journalisten einzuschüchtern, gehen weiter.

Die USA haben mit Enttäuschung auf Assads Rede reagiert. Der Rede habe es an "Substanz" gemangelt, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Mark Toner, vor Journalisten in Washington. Der Präsident sei hinter den Forderungen der syrischen Bevölkerung nach Reformen zurückgeblieben, .

Jemens Präsident schlägt angeblich Übergangsregierung vor

Derweil gerät im Jemen Präsident Ali Abdullah Salih angesichts der anhaltenden Proteste weiter unter Druck: Nach Angaben aus Oppositionskreisen soll Salih nun die Bildung einer Übergangsregierung vorgeschlagen haben. Diese solle die Macht bis zu den Parlamentswahlen Ende des Jahres übernehmen, während Salih formell im Amt bleibe, sagte ein Oppositioneller. Der Präsident habe seinen Vorschlag bei einem Gespräch mit Mohammed al-Jadumi von der islamischen Islah-Partei vorgelegt. Die Opposition habe sich noch nicht auf eine Antwort festgelegt, hieß es in den Kreisen weiter.

Salih ist seit 32 Jahren an der Macht. Er befürchtet nach eigenen Angaben Chaos im Jemen, sollte er sofort zurücktreten. Stattdessen hat er erklärt, nach dem Ablauf seiner Amtszeit 2013 nicht mehr anzutreten. Seit Tagen wird hinter den Kulissen über eine Lösung der Krise verhandelt. Der Jemen ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen die radikalislamische al-Qaida.

Auch an diesem Mittwoch protestieren Hunderttausende gegen die Regierung Salih: Die Menschen gingen in der Hauptstadt Sanaa, aber auch in der Stadt Saada, in der schiitische Rebellen seit Jahren gegen Regierungstruppen kämpfen, sowie in der al-Qaida-Hochburg Marib auf die Straßen.

© dpa/Reuters/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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