Bildung:Mangelhaft bis ungenügend

Lesezeit: 2 min

45 000 Jugendliche verlassen im Jahr die Schule ohne Abschluss, der DGB spricht von einer sozialen Schieflage im Bildungssystem. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Für die einst ausgerufene "Bildungsrepublik" geben Bund und Länder zu wenig Geld aus. Der DGB fordert nun Reformen. Das Bildungssystem sei in einer sozialen Schieflage.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Vor fast sieben Jahren gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder beim Dresdner Bildungsgipfel ein ungewöhnlich klares Versprechen. Deutschland müsse bis 2015 zur Bildungsrepublik werden, kündigten sie an und steckten sich zugleich messbare Ziele. Dazu gehört etwa, dass Bund und Länder bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Bildung und Forschung ausgeben sollen. Doch davon ist das Land noch weit entfernt.

2013 - der derzeit aktuellste greifbare Wert - beliefen sich die entsprechenden Ausgaben auf 9,2 Prozent des BIP. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rechnet nun vor: Gemessen an dem Versprechen werden jährlich 23,5 Milliarden Euro zu wenig für Bildung ausgegeben. Der DGB fordert deshalb eine neue Bildungsstrategie. Diese müssten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten am 3. Dezember bei ihrem Jahrestreffen vereinbaren.

Für den DGB ist das Bildungssystem in einer sozialen Schieflage. So können nach wie vor mehr als sieben Millionen Menschen nicht richtig lesen oder schreiben. 45 000 Jugendliche verlassen im Jahr die Schule ohne Abschluss. "Selbst bei gleicher Leistung hat das Kind eines Akademikers verglichen mit einem Arbeiterkind eine dreimal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen", sagt die stellvertretende DGB-Chefin Elke Hannack. Sie spricht von einem "sozial gespaltenen Land".

Hinzu kommt das Problem bei den Krippenplätzen: Bis 2013 sollte ursprünglich für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Derzeit liegt die Quote im Osten bei mehr als 50 Prozent, im Westen unter 30 Prozent, obwohl in einigen Großstädten der Bedarf weitaus größer ist. Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm, der für den DGB die Lage analysiert hat, weist aber darauf hin, dass 2014 in Deutschland so viele Kinder geboren wurden wie seit Jahren nicht. Das Statistische Bundesamt zählte 33 000 mehr Geburten als im Vorjahr. "Wenn nicht bei den Kitas ausgebaut wird, wird die Betreuungsquote deshalb sinken", warnt Klemm. Die Flüchtlingskinder seien dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Nötig sind aus Sicht des DGB nicht nur mehr Kita-Plätze. Zu einer langfristig angelegten Bildungsstrategie müsse auch ein "Kita-Qualitätsgesetz" gehören, das bundesweit Standards für Gruppengrößen oder den Personalschlüssel setzt. Der Gewerkschaftsbund spricht sich außerdem für einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschule und eine "Ausbildungsgarantie" für alle Jugendlichen aus. Bund und Länder müssten ein Programm für außerbetriebliche Ausbildungsplätze in Regionen starten, wo zu viele Bewerber auf zu wenige Lehrstellenangebote treffen. "Das Angebot wird in den kommenden Jahren nicht ausreichen, weil auch viele junge Geflüchtete einen Ausbildungsplatz brauchen", heißt es beim DGB.

Bislang untersagt allerdings das Kooperationsverbot im Grundgesetz eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung. DGB-Vize Hannack fordert, dies zu streichen, "damit der Bund für diese Ausgaben Ländern und Kommunen Hilfen gewähren kann".

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: