Bewährungshelferin:"Eine bequeme Ausrede"

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Ute Dörfler, 45, arbeitet seit 13 Jahren als Bewährungshelferin in Weimar und gehört dem Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer an. (Foto: privat)

Ute Dörfler glaubt, dass Fußfesseln den Umgang mit Straftätern erschweren. Das Gerät behindere die Aufarbeitung der Straftat.

Interview von Ronen Steinke

SZ: Frau Dörfler, Sie arbeiten als Bewährungshelferin mit Sexual- und Gewalttätern, denen eine hohe Rückfallgefahr attestiert worden ist. Hilft die Fußfessel Ihnen dabei?

Ute Dörfler: Das wäre ja fein. Wenn jemand eine Fußfessel trägt, macht das seinen Weg zurück in ein normales, legales Leben in der Regel eher schwieriger. Ich hatte kürzlich einen Probanden, der seine Gefängnisstrafe wegen eines Sexualdelikts bis zum letzten Tag abgesessen hatte. Der Rechtsstaat konnte ihn also nicht mehr festhalten. Nun hätte ich gern alle Energie auf die Resozialisierung verwendet. Stattdessen stand zwei Jahre lang der Frust über die Fußfessel im Vordergrund.

Wieso?

Wo immer der Mann neu hinkam, hatte er Angst, dass Menschen die Fußfessel entdecken, dass er also gleich gebrandmarkt ist. Er hat sich wenig nach außen getraut in diesen zwei Jahren. Er musste sich auch ständig mit der Technik beschäftigen, sich jeden Tag an sein Ladegerät setzen.

Ist das denn so schwierig, einmal am Tag den Akku aufzuladen? Kann man das nicht über Nacht machen?

Das habe ich anfangs auch gedacht, es ist aber gar nicht so einfach. Dazu muss das Bett schon in der Nähe dieser Station stehen, die dafür extra aufgestellt wird. Die kann man in der Wohnung nicht einfach dorthin stellen, wo man sie gerne hätte. Ich hatte einmal einen Probanden, der auf dem Land gewohnt hat, wo der Handy-Empfang schlecht war, und der immer wieder aus seinem Haus heraustreten musste, um sich überhaupt orten zu lassen. Sonst hätte er einen Alarm ausgelöst und wäre von der Polizei gesucht worden. Das sind Dinge, die Frust erzeugen, wenn jemand nach Jahren im Gefängnis eigentlich wieder in die Arbeitswelt zurückkehren soll.

Was hätten Sie ohne Fußfessel getan?

Wir hätten zum Beispiel mehr über Ursachen der Straftat reden können, eine bessere Beziehung aufbauen können, wir hätten Dinge trainieren können wie Busfahren oder: Wie begegne ich dem Vater des Tatopfers? Für alle diese Dinge wäre mehr Zeit gewesen. Teils schafft die Fußfessel natürlich auch eine bequeme Ausrede für Probanden. Sie können dieses Gerät vor sich herschieben als Ausrede dafür, dass sie etwas nicht tun. Deshalb zweifle ich eher an der Sinnhaftigkeit der Maßnahme. Zumal sie nichts verhindert.

Solange jemand eine Fußfessel trägt, weiß er immerhin, dass der Staat ihm über die Schulter sieht .

Das stimmt schon, man kann die Fußfessel keinen Moment lang vergessen. Vielleicht schreckt das ab. Aber wie lange hält das an? Das ist zu kurz gedacht. Jede Strafe ist irgendwann vorbei, und danach sind die Täter wieder unter uns. Der beste Opferschutz ist Resozialisierung. Das ist der einzige Opferschutz, der auf Dauer hilft.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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