Berlin:Skepsis gegen Fußfessel

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Berlins Landesregierung lehnt die Fußfessel als Mittel zur Terrorbekämpfung ab. Justizsenator Behrendt schlägt stattdessen etwas anderes vor.

Interview von Ronen Steinke

SZ: Herr Behrendt, am Freitag beraten die Länder im Bundesrat über die Einführung der elektronischen Fußfessel für sogenannte Gefährder. Das ist eine Konsequenz aus dem Berliner Attentat, und ausgerechnet Berlin ist dagegen?

Dirk Behrendt: Für Täter, die terroristische Absichten verfolgen, ist die Fußfessel nicht das richtige Mittel, wie ja der schreckliche Anschlag in einer Kirche in Nordfrankreich im Juli gezeigt hat, bei dem ein Täter eine Fußfessel trug.

Nicht jeder Fall, in dem es mal nichts gebracht hat, ist schon ein Beweis dafür, dass es nie etwas bringt.

Allein schon technisch haben wir in einer Stadt wie Berlin ein Problem. Wegen der engen Bebauung und der vielen sich überlappenden Funkzellen entstehen laufend Fehlalarme. Darauf weist unsere Generalstaatsanwaltschaft hin. Noch ist das handhabbar. Es gibt bislang bundesweit weniger als 100 Fußfesselträger. Aber wenn man sich vorstellt, dass die verschiedenen Gesetzentwürfe der großen Koalition durchkommen, dann hätten wir im Nu wahrscheinlich mehrere Hundert Träger. Dann klingelt hier ständig das Telefon. Und trotzdem verhindern wir nichts.

Berlin zählt gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen die meisten Gefährder. Denen würde man immerhin verdeutlichen: Wir haben euch im Blick.

Ist das so sinnvoll? Bei Islamisten würde ich eher zu einer verdeckten Observierung raten, damit im Fall der Fälle schnell eingegriffen werden kann. Vom Alarm bei der bundesweiten Fußfessel-Zentrale in Hessen bis zum Eintreffen der Berliner Polizei dauert es bisher bis zu vierzig Minuten.

Ist das im Wahljahr die Rollenverteilung: Die Union ist treibende Kraft in der inneren Sicherheit, die Grünen sagen zu allem Nein?

Überhaupt nicht. Reden wir zum Beispiel über das Thema Waffenrecht. Die Pariser Attentäter haben Dekowaffen verwendet, die sie umgebaut und scharfgemacht hatten. Wir sollten die Gesetze so verändern, dass solche Dekowaffen in Deutschland nicht mehr so leicht erhältlich sind. Da gibt es Widerstände in der Union, was mir völlig unverständlich ist.

Bei der Berliner Razzia gegen Salafisten in der vergangenen Woche wurden auch sechs Zellen in den Gefängnissen Tegel und Moabit durchsucht. Was tun Sie dagegen, dass die Gefängnisse sich zu Schulen der Radikalisierung entwickeln?

Jedes Gefängnis ist eine Schule des Verbrechens. Das ist seit Jahrhunderten ein Problem, machen wir uns nichts vor. Für ansprechbare Gefangene haben wir ein sozialpädagogisches Angebot zur De-Radikalisierung. Aber wir geben uns nicht der Illusion hin, dass wir den harten Kern erreichen. Bei denen helfen nur Sicherheitsmaßnahmen.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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