Berlin-Attentat:Union fordert Ausschuss im Fall Amri

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Anis Amri war den Behörden lange bekannt, bevor er den Anschlag in Berlin beging. Wer welche Fehler gemacht hat, soll nach dem Willen der Union in einem Ausschuss geklärt werden. (Foto: dpa)

Der Bundestag soll den Konservativen zufolge Behördenfehler untersuchen. Die SPD plädiert stattdessen für einen Sonderermittler.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo, München

Die Union will im Fall des mutmaßlichen Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri Fehler von Behörden in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, sagte am Wochenende, er wolle in dieser Frage das Gespräch mit seinem SPD-Kollegen Thomas Oppermann suchen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte, er werde einen Untersuchungsausschuss "mit voller Kraft unterstützen". Die SPD hingegen favorisiert eher die Einsetzung eines Sonderermittlers, um die Abläufe zeitnah untersuchen zu können. Bis zur Bundestagswahl im September bleiben nur wenige Monate. Es hat zwar Ausschüsse gegeben, die in drei Monaten fertig wurden, aber normalerweise tagen die Gremien länger.

Aus einem vertraulichen, 18-seitigen Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) über den Fall Amri, der der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR vorliegt, gehen neue Details zu dem Fall hervor. Zwar redete Amri demnach immer wieder mal darüber, dass er Anschläge begehen wolle. In abgehörten Telefonaten erklärte er aber auch, dass er in seine Heimat Tunesien wolle. Amri habe "fortgesetzt den Wunsch formuliert, nach Tunesien zurückzukehren", steht in dem Bericht.

Anschlag in Berlin
:Maas räumt Fehler der Behörden im Fall Amri ein

Niemand könne das Gegenteil behaupten, sagt der Justizminister im Fernsehen. Er kündigt einen Bericht an, der die Fehler aufarbeiten soll.

Der 24-jährige Tunesier war im Februar 2016 von Behörden in Nordrhein-Westfalen als Gefährder eingestuft worden. In zahlreichen Sitzungen hatten sich Staatsschutz-Behörden mit ihm beschäftigt. Aus den BKA-Unterlagen geht hervor, dass die Behörden einen Anschlag durch Amri für unwahrscheinlich hielten. Entscheidend für die Beurteilung seiner Gefährlichkeit war offenbar ein Verfahren, das der Generalstaatsanwalt Berlin von März bis September 2016 gegen Amri betrieb. Der Tunesier wurde von Spezialkräften der Polizei observiert und auch abgehört. Zunächst habe er "islamistisches Gedankengut" gepflegt, dann sei es um Kleinkriminalität gegangen. Amri sei im "Drogenkleinsthandel" unterwegs gewesen, habe sich mit Konkurrenten aus dem Milieu geschlagen und schließlich selbst Kokain und Ecstasy konsumiert.

Auffällig sei gewesen, dass er sich im Lauf der Zeit immer weniger um religiöse Angelegenheiten gekümmert habe. Moscheebesuche seien kaum noch feststellbar gewesen. Am Morgengebet habe er nicht mal mehr teilgenommen. "Hinweise auf eine Planung von religiös motivierten Gewalttaten" hätten sich jedenfalls nicht ergeben. "Es entstand der Eindruck eines jungen Mannes, der unstet, sprunghaft und nur wenig gefestigt" erschien, schreibt das BKA.

Nachdem das Verfahren der Berliner im Herbst vorigen Jahres eingestellt worden war, erlosch das Interesse an Amri. Obwohl er ein Gefährder blieb, hatten ihn die Berliner Behörden offenbar nicht mehr im Blick. Lediglich Verfassungsschützer aus NRW prüften im Oktober 2016 noch mal per Ortung seines Mobiltelefons, wo er sich aufhielt. Das soll der Raum Berlin/Brandenburg gewesen sein. Dann verlor sich die Spur.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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