Eingeschlossene Fußballmannschaft:Komplizierte Befreiung aus der Tiefe des Berges

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Überglücklich: Die Verwandte eines eingeschlossenen Jungen zeigt ein Foto, das in der Höhle aufgenommen wurde. (Foto: Linh Pham/Getty Images)

Seit eineinhalb Wochen schon müssen zwölf Jungen und ihr Fußballtrainer in einer überfluteten Höhle in Thailand ausharren. Jede Methode, sie zu befreien, birgt enorme Risiken.

Von Arne Perras

Lichtkegel springen in der Finsternis hin und her, im Strahl zitternder Taschenlampen sieht man schemenhaft Kinder sitzen, sie tragen Shorts und Trikots voller Lehm, haben sich zusammengedrängt auf einem Hügelchen Erde, direkt über der schlammigen Flut. Dann ist im Video eine Stimme mit britischem Akzent zu hören. "Wie viele seid ihr?", fragt der Froschmann. "Dreizehn!", ruft einer der Jungen, geblendet vom kalten Licht.

Eine bessere Nachricht konnte es in diesem Moment nicht geben, britische Höhlentaucher und thailändische Elitetaucher waren Montagnacht auf die Vermissten gestoßen. Und alle waren sie am Leben.

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:"Wir haben einen Mann verloren"

Seit fast zwei Wochen sitzt ein Fußballteam in einer Höhle fest. Nun ist ein Taucher gestorben, während er versucht hat, Sauerstoffbehälter zu platzieren.

Das wackelige Video dokumentiert den ersten Kontakt, wie er sich etwa vier Kilometer tief in der Höhle zugetragen hat. Vielleicht werden die Jungs und die Taucher später mal davon erzählen, wie sich dieser Augenblick angefühlt hat. Aber am Montag ist das alles nicht wichtig. Entscheidend ist nur, dass die Kinder wissen: Es kommt jetzt Hilfe, sie sind nicht mehr alleine mit der Finsternis und der Flut.

"Ihr seid sehr stark", sagt einer der Taucher. Und stark werden sie jetzt auch sein müssen, denn das Drama um die Höhlenkinder von Tham Luang in Nordthailand ist noch lange nicht zu Ende. Womöglich stehen die schwierigsten Stunden dieser abenteuerlichen Rettung erst noch bevor. Experten drehen und wenden nun die beiden entscheidenden Fragen: Wie bringt man die Jungs sicher wieder nach draußen? Und wann ist der beste Moment, um das zu wagen? Sorgen bereitet der Wetterbericht, der für Mittwoch bereits die nächsten starken Regenfälle ankündigt.

Die Taucher wissen: Sie dürfen jetzt nichts überhasten. Doch natürlich können es die Jungen kaum erwarten. "Wann kommen wir raus?", fragt einer von ihnen im Video. "Nicht heute", sagt der Taucher. "Nein, nicht heute." Und dann schieben sie noch ein paar Worte hinterher, damit das nicht so grausam klingt: "Wir kommen, es ist o.k., viele werden kommen."

Es waren diese ersten Bilder und Stimmen der Überlebenden, die Eltern und Angehörige so sehr ersehnten und brauchten. Ihre Gebete wurden erhört, sagten sie den Reportern am Eingang der Höhle, dort wo sie neun Tage lang ausgeharrt hatten, im Regen unter einem improvisierten Dach.

Mit buddhistischen Mönchen stimmten sie immer neue Gesänge an, damit die Jungs heil nach Hause kommen. Manche haben die Berggöttin Nang Non beschworen, und auch alle anderen heiligen Wesen, die helfen könnten. Sie haben Räucherkerzen angezündet, Essen geopfert. Und die ganze Nation zitterte mit. "Ich werde meinem Sohn ein Omelett braten", sagt eine Mutter im Fernsehen mit bebender Stimme. "Das isst er doch so gerne." Aber wann die Mutter ihr Kind tatsächlich in den Arm schließen kann, lässt sich noch immer nicht sagen.

Die Thailänder fluteten die sozialen Medien mit großer Freude, dass alle noch leben, und auch mit großer Begeisterung für die Einsatzkräfte; die Taucher gelten nun als Helden, sie haben geschafft, was manchen kaum möglich erschien in den Fluten voller Schlamm, der starken Strömung, mit all den Hindernissen und Engpässen, in denen man stecken bleiben kann und sehr schnell sterben. Kilometerweit ohne Sicht, als schwämmen sie durch Kaffee.

Aber noch sind sie nicht am Ziel ihrer Mission, die Jungs müssen ja heil ins Freie. Und dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Flut aussitzen, solange sie anhält. Oder: Sie müssen jetzt alle tauchen.

Wie schwierig eine Rettung unter Wasser wäre, ist schon daran zu sehen, dass selbst die Profis nur mit größten Schwierigkeiten vorangekommen sind. Und die Kinder sind völlig unerfahren im Tauchen. Die Skepsis ist groß, allerdings nicht bei allen Experten. "Das ist einigermaßen machbar", glaubt zumindest der britische Höhlenforscher Andy Eavis. "So etwas ist schon früher gelungen", sagte er in einem Interview mit der BBC, wenn auch nicht mit so vielen und so jungen Leuten.

Bei den Eingeschlossenen harren jetzt erst einmal Spezialisten aus, die Taucher und Ärzte sind. Offiziell gab es zunächst keine Angaben, wie es um die Gesundheit der Jugendlichen und ihrem Trainer steht, inoffiziell hieß es, dass die meisten von ihnen "im grünen Bereich" seien, was wiederum die Frage aufwarf, ob einige sich doch verletzt haben oder erkrankt sind. Dies wurde weder bestätigt noch dementiert.

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:Wenn die Angst hochkommt

Die zwölf eingeschlossenen Jugendlichen in einer thailändischen Höhle müssen sich wenig Sorgen um körperliche Schäden machen. Um seelische hingegen schon.

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Taucher liefern nun Wasser und Überlebenspackungen mit nährstoffreicher Nahrung aus der Tube, während draußen die Wasserpumpen auf Hochtouren arbeiten. Doch sie senken den Pegel nur langsam, um einen Zentimeter pro Stunde. Das ist nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um die Höhle leer zu bekommen.

Und wie wäre es, wenn man ein Loch bohrte durch den Berg? Auch diese Möglichkeit wird geprüft, allzu groß sind die Hoffnungen aber nicht; zum einen, weil es lange dauert, zum anderen, weil die kleine Kammer, in der die Jungen sitzen, nicht direkt erreichbar wäre. Ganz abgesehen von den Risiken einer Bohrung, die von den Gesteinsmassen womöglich mehr in Bewegung bringt, als den Rettern lieb ist.

Das Einsatzteam hat offenbar noch keine Entscheidung gefällt, es sieht so aus, als setzten die Experten vorerst auf Warten: Zwei Mediziner der Elitetaucher des thailändischen Militärs haben sich bereit erklärt, bei den Jungs zu bleiben, sie zu betreuen und zu versorgen, wenn nötig mehrere Wochen lang. Bis das Wasser so weit zurückgeht, dass man die Eingeschlossenen leichter befreien kann. "Wir werden sie da nicht herausholen, bis wir einen absolut sicheren Weg gefunden haben", sagt der Gouverneur der Provinz Chang Rai, Narongsak Osotthanakorn. "Wir haben so hart gearbeitet, um sie zu finden, wir werden sie nicht verlieren."

Nun hat aber auch das Warten seine Tücken. Erstens, weil man nicht weiß, was der neue Regen bringt - das Wasser in der Höhle könnte bedrohlich ansteigen. Zweitens, weil die psychische Belastung der Kinder so noch zunehmen dürfte. Sollten sie also doch einen Schnelltauchkurs bekommen, um rasch ins Freie zu gelangen, haben sie zumindest einen Vorteil gegenüber den Erwachsenen: "Sie sind klein und das ist gut", sagt der Brite Eavis. So kommen sie leichter durch enge Passagen, wo sich größere Taucher schwerer tun.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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