BER:Desaster ohne Verantwortliche

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Im Untersuchungsbericht zum Flughafen kommt Ex-Bürgermeist Klaus Wowereit glimpflich davon - für die Opposition Schönfärberei.

Von Jens Schneider, Berlin

Am Ende soll niemand persönlich für das Desaster um den neuen Berliner Flughafen verantwortlich gemacht werden. So sehen es zumindest die in der Hauptstadt regierenden Parteien SPD und CDU. Fast vier Jahre hat ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus zu ergründen versucht, warum so viel beim Bau des Flughafens schieflief, der bis heute nicht eröffnet ist. Mehr als 1600 Akten sichteten die Abgeordneten, sie befragten 71 Zeugen, der einstige Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wurde mehrmals vorgeladen. Der Abschlussbericht umfasst 1269 Seiten, aber auf Betreiben der rot-schwarzen Regierungsmehrheit wird die Verantwortung für das Debakel breit gestreut.

So ist von einem "kollektiven Wirklichkeitsverlust" der Beteiligten die Rede, auch von einem "Verantwortungsvakuum". Dem Bericht zufolge ist die Häufung von Fehlentscheidungen und Fehlinformationen nur durch eine "Unternehmens- und Projektkultur" zu erklären, "die Anzeichen für Fehlentwicklungen und teils alarmierende Warnungen externer Stellen systematisch ausblendete". Die Opposition wertet das als Schönfärberei und hat Sondervoten formuliert. Sie kritisiert, dass die Vertreter der Koalition aus SPD und CDU "insbesondere Berliner Regierungsmitglieder mit ihrem Mehrheitsvotum aus der Schusslinie nehmen" wollten und "deren Verantwortung heruntergespielt wird", so der Grüne Andreas Otto. Er schreibt, wie die Linkspartei und der Ausschussvorsitzende Martin Delius (ehemals Piratenpartei), vor allem dem einstigen Aufsichtsratschef Wowereit Verantwortung zu.

In dem von der Mehrheit aus SPD und CDU beschlossenen Abschlussbericht heißt es dazu, dass "angesichts des katastrophalen Projektverlaufs" zwar ein großes öffentliches Interesse an einer klaren Benennung von Verantwortlichen bestehe. Jedoch könne "seriöserweise in einem derart komplexen Projekt nur von einer Verflechtung geteilter Verantwortlichkeiten gesprochen werden". Demnach wäre es "einseitig, die Hauptverantwortung einem einzelnen Beteiligten aufzubürden".

Die Opposition nennt dagegen konkret Verantwortliche, etwa frühere Geschäftsführer, und eben Wowereit. Die Dominanz seiner persönlichen Meinung sei von anderen nicht ausreichend infrage gestellt worden, kritisiert Jutta Matuschek, Flughafen-Expertin der Linken: "Wowereit selbst entwickelte in dieser Konstellation nur unzureichende Sensibilität zu Mechanismen der Kontrolle und Selbstkontrolle." Sie wirft ihm Fehler bei Personalentscheidungen am BER vor und listet eine Reihe weiterer Versäumnisse des Aufsichtsrats auf. Die Linken-Politikerin fordert vom Land Berlin, noch einmal zu prüfen, ob frühere Geschäftsführer für Verfehlungen haftbar gemacht werden können. Sie empfiehlt zudem eine Haftungsprüfung für einzelne Entscheidungen des Aufsichtsrats. Noch seien Haftungsansprüche nicht verjährt.

Unterdes ringt die aktuelle Geschäftsführung des Flughafens um Lösungen für Probleme mit dem Brandschutz am Flughafen. Noch hält sie am Ziel fest, den BER Ende 2017 zu eröffnen.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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