Bekenner-DVD der Zwickauer Terrorzelle:Wer produzierte das Neonazi-Video?

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Wer war der Macher der DVD, auf denen sich die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" zu ihren Morden bekannt hat? Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der 32-jährige André E. der Produzent des Videos ist. Doch es ist mehr fraglich, ob er tatsächlich der einzige ist, der die nötigen technischen Fertigkeiten hatte.

Hans Leyendecker

Seit gut sechs Wochen sitzt der 32 Jahre alte André E. in Frankfurt in Untersuchungshaft, weil er der Produzent des 15-minütigen Selbstbezichtigungs-Videos der Zwickauer Terrorzelle mit den Szenen aus den Trickfilmen des "rosaroten Panthers" gewesen sein soll.

War André E. wirklich der Macher dieser DVD mit Aufnahmen von den Morden der terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund"? (Foto: dpa)

Gegen E. besteht der dringende Verdacht der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten. Doch war er wirklich der Macher der widerwärtigen DVD? Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof will nächste Woche das Ergebnis einer Haftprüfung bekanntgeben, die seit Anfang Dezember läuft. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der 32-Jährige der Produzent des Videos ist, auf dem sich die Terrorbande "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen bekannt hat. Er sei "nach derzeitigem Kenntnisstand" die "einzige Person" im Umfeld der Terrorzelle, die über das dafür nötige Fachwissen verfügte, schrieb die Bundesanwaltschaft an den Ermittlungsrichter.

André E. stammt aus der thüringischen Neonazi-Szene. Spätestens seit 2003 soll er bei der Zwickauer Terrorzelle ein und aus gegangen sein. Auch betrieb er früher eine Videoproduktionsfirma. In den Trümmern des Hauses, in dem die mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gelebt hatten, fanden Ermittler einen Flyer der Firma.

Dass sein Anwalt Herbert Hedrich die Vorwürfe der Strafverfolger bestreitet, ist Grundlage für die Haftprüfung, aber die Argumente sind so abwegig nicht: Am 5. Dezember, rund zwei Wochen nach der Festnahme von André E., fertigte das Bundeskriminalamt einen Vermerk, demzufolge das Video nicht in den Räumlichkeiten der von E. betriebenen Firmen, sondern auf dem von den Terroristen verwendeten Computer produziert worden war.

Gerri und Max auf Kamera

Auch zwei Vorläufer-Videos wurden auf diesem Computer gefertigt - und zwar schon 2001, als E. vermutlich noch nicht in Kontakt mit der Bande stand. Wesentlicher ist, dass Uwe Mundlos, der am 4. November vergangenen Jahres erst Böhnhardt und dann sich erschoss, ein Computerfreak war. Einem Gutachten zufolge könnte er auch Verfasser des handgeschriebenen Drehbuchs zu dem Film gewesen sein.

Die Ermittler haben etliche Zeugen befragt, über welche Computerkenntnisse Mundlos verfügt habe. Aus vier Vernehmungen geht laut Bundesanwaltschaft hervor, dass er "offensichtlich über Kenntnisse im EDV-Bereich" verfügte. Diese Aussagen und der Umstand, dass der Film auf dem Computer der Terroristen entstand, hält die Bundesanwaltschaft aber nicht für entscheidend. Seine Kenntnisse hätten sich "weit unterhalb des Bereichs " bewegt, wie sie für die Herstellung des Films nötig gewesen seien.

Der Umstand, dass in dem Film im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag in Köln 2004 Videosequenzen mit den Dateinamen "gerri auf kamera.avi" und "max auf kamera avi" auftauchten, spreche sogar gegen den Produzenten Mundlos. "Gerri" und "Max" waren die Spitznamen der Terroristen. So stellten sie sich auch Fremden vor. "Die Gestaltung der Dateinamen" spreche für eine dritte Person, folgert die Bundesanwaltschaft. Terroristen würden doch nicht eine Datei unter der Bezeichnung ihrer eigenen Decknamen erstellen. Warum eigentlich nicht?

© SZ vom 07.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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